NSU-Prozess:Zschäpe attackiert Anwälte

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Beate Zschäpe hat dem Gericht einen Brief geschrieben. Darin beschwert sie sich über abfällige Gesten.

Von Tanjev Schultz, München

Beate Zschäpe hat ihren Anwälten in einem Brief an das Gericht erneut schwere Vorwürfe gemacht. Auf drei handgeschriebenen Seiten beschwert sich die Hauptangeklagte im NSU-Prozess über die drei Pflichtverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Diese hätten als Verteidigungsstrategie nur Zschäpes Schweigen akzeptiert und keinen Raum für Alternativen gelassen, schreibt Zschäpe. Sie behauptet, sie habe, als sie erstmals die Möglichkeit angesprochen habe, vor Gericht auszusagen, zur Antwort erhalten: "Sind Sie irre, Frau Zschäpe?" Der Brief ging vor Weihnachten an das Oberlandesgericht München. Die angegriffenen Anwälte wollten sich auf Anfrage nicht dazu äußern, sie planen aber eine Stellungnahme für das Gericht.

Die drei Pflichtverteidiger sagen, sie hätten keineswegs eine Aussage blockiert

Zschäpe behauptet, die drei Anwälte hätten ihren Vorschlag, über ein Brechen des Schweigens zu diskutieren, im Keim erstickt und von "prozessualem Selbstmord" gesprochen. Als Zschäpe Anfang Dezember schließlich doch ihr Schweigen brach und eine Erklärung vor Gericht verlesen ließ, hätten Heer, Stahl und Sturm mit abfälligen Gesten zum Ausdruck gebracht, was sie davon hielten, beschwert sich Zschäpe bei den Richtern. Dieses Verhalten werte sie als bewusst schädigend. Jegliche Zusammenarbeit mit diesen drei Anwälten sei für sie undenkbar, schreibt Zschäpe. Heer, Stahl und Sturm betonten bereits Mitte Dezember in einer Erklärung vor Gericht, sie würden ihrer Mandantin keine Anweisungen erteilen, sondern lediglich Empfehlungen. Und sie hätten keineswegs eine Aussage blockiert.

Der Nebenklage-Anwalt Thomas Bliwier sagte zu Zschäpes Brief, dies sei ein "weiterer hilfloser Versuch, die Verteidiger loszuwerden". Zschäpe verkenne ihre Rolle. "Sie wird den Lauf der Gerechtigkeit nicht aufhalten", sagte Bliwier. Der Streit zwischen Zschäpe und den Anwälten zieht sich seit mehr als einem Jahr hin. Mehrmals stellte die Angeklagte den Antrag, die drei Verteidiger von dem Mandat zu entbinden. Das Gericht lehnte dies stets ab und verwies darauf, dass es nicht in das Belieben einer Angeklagten gestellt sei, den Prozess durch ein Zerwürfnis mit den Anwälten aufzuhalten. Allerdings gestand es Zschäpe einen vierten Pflichtverteidiger zu: den Münchner Anwalt Mathias Grasel. Er hat einen Großteil der Beweisaufnahme nicht miterlebt. Deshalb könnte der Prozess platzen, würde das Gericht die anderen Anwälte von dem Mandat entbinden.

Mittlerweile dringt Zschäpe darauf, auch noch Grasels Kanzleikollegen Hermann Borchert als Pflichtverteidiger an die Seite gestellt zu bekommen. Das Gericht hat darüber noch nicht entschieden. Vor Weihnachten hatte Zschäpe eine mit Borcherts und Grasels Hilfe erstellte Erklärung verlesen lassen. Darin bestritt sie, an den zehn Morden des NSU beteiligt gewesen zu sein.

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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