NSU-Prozess in München:Bei Neonazis daheim

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Die Angeklagte Beate Zschäpe im Gerichtssaal in München. Die Polizei machte Fotos, als sie ihre Wohnung 1998 durchsuchte. (Foto: dpa)

Dreisitzer, Zimmerpflanze und Reichskriegsflagge: Bevor Beate Zschäpe untertauchte, wohnte sie allein. Im NSU-Prozess sagt ein Beamter aus, der bei der Hausdurchsuchung dabei war - und erinnert sich an zahlreiche Waffen und ein Spiel mit SS-Runen.

Aus dem Gericht berichtet Tanjev Schultz

Bevor sie untertauchte, wohnte Beate Zschäpe in Jena in einer eigenen Wohnung. Wohnzimmer, Küche, Bad - es waren nicht mal 40 Quadratmeter, aber dafür gab es einen Balkon. Die Inneneinrichtung entsprach wohl dem, was Neonazis damals für gemütlich hielten: Dreisitzer-Sofa, Zimmerpflanze und eine Reichskriegsflagge an der Wand. Die Polizei machte Fotos, als sie die Räume am 26. Januar 1998 durchsuchte. Zschäpe war da bereits verschwunden.

Im NSU-Prozess sagt nun einer der Beamten aus, die damals bei der Hausdurchsuchung dabei waren. "Wir wussten nicht, was uns erwarten würde", sagt er. Man haben wegen "Gefahr im Verzug" handeln müssen. Am Vormittag hatte die Polizei eine von Zschäpe angemietete Garage durchsucht und dabei Sprengstoff und fertig gebaute Rohrbomben entdeckt.

Ein Schlüsseldienst öffnete am Nachmittag Zschäpes Tür, eine Nachbarin wurde als unabhängige Zeugin geholt. In der Wohnung fanden die Ermittler dann einen Gasrevolver, ein Luftdruckgewehr mit Zielfernrohr, einen Wurfstern, eine Armbrust, eine Zwille und zwei Messer, die der Zeuge als Jagd- und als Buschmesser beschreibt. Die Waffen hingen dekorativ an der Wand.

Irgendwo an einer Wand will der Beamte auch ein Hakenkreuz gesehen haben. Und unter dem Sofa habe das Spiel "Pogromly" gelegen, das die Neonazis in Anlehnung an Monopoly selbst gebastelt hatten und mit dem sie den Holocaust verherrlichten. Die Spielkarten seien nicht unter dem Sofa gewesen, sondern in einem Schrank. Der Polizist kann sich an SS-Runen auf dem Spiel erinnern.

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Im echten Monopoly geht es ums Geld und Gewinnen, in einer selbstgebastelten Version des NSU ging es darum, die eigene Geisteshaltung zu demonstrieren. Zwei der Nazi-Spiele wurden 1998 bei Beate Zschäpe gefunden - und von Thüringer Beamten vernichtet.

Von Annette Ramelsberger

Ihm werden nun im Gerichtssaal Fotos eines Spiels gezeigt, das andernorts - nicht in Zschäpes Wohnung - sichergestellt wurde. Ob es so aussehe wie das aus Zschäpes Wohnung? "Es hat ähnliche Züge", sagt der Zeuge. An die Einzelheiten könne er sich allerdings nicht mehr erinnern. Das Spiel aus Zschäpes Wohnung liegt den Ermittlern nicht mehr vor - es wurde nach einigen Jahren, in denen es in der Asservatenkammer lag, offenbar vernichtet.

Nach der Durchsuchung habe der Schlüsseldienst den Zylinder des Schlosses ausgetauscht, berichtet der Zeuge. Anschließend hätten die Beamten einen Zettel an die Tür gehängt, dass sich die Mieterin den Schlüssel bei der Polizei abholen könne. "Und?", fragt Richter Manfred Götzl. "Wurden sie abgeholt?" Nein, sagt der Beamte. Beate Zschäpe blieb verschwunden.

Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer widerspricht danach einer Verwertung der Aussage des Zeugen. Die Wohnungsdurchsuchung sei damals ohne richterlichen Beschluss erfolgt. Die Verteidigung des Angeklagten Ralf Wohlleben schließt sich dieser Position an. Es bestehe ein Beweisverwertungsverbot. Die Bundesanwaltschaft dagegen hält die Ergebnisse der Durchsuchung für verwertbar.

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