NRW:Ein Angriff, den es nie gab

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Christina Schulze Föcking erklärt am Montag ihre Sicht der Dinge. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Im Düsseldorfer Landtag geht es um die "Hacker-Affäre" gegen Ex-Agrarministerin Christine Schulze Föcking. Die Opposition glaubt, die Regierung habe damals auf Zeit gespielt.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Bereits vier Tage nach einer angeblichen Cyber-Attacke am 15. März auf Haus und Hof der damaligen NRW-Umweltministerin Christina Schulze Föcking (CDU) war den Ermittlungsbehörden klar, dass es sich dabei um keinen Hackerangriff gehandelt hatte. "Angriffspunkte für einen unberechtigten Zugriff Dritter" auf das Heimnetz der Familie Schulze Föcking seien "nicht ermittelt worden", heißt es in einem vertraulichen Bericht des zuständigen Oberstaatsanwalts mit Datum vom 19. März 2018, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Der Schriftsatz, der an Schulze Föckings CDU-Parteifreund und Justizminister Peter Biesenbach adressiert war, wurde jedoch in der Justizbehörde zehn Tage lang zurückgehalten. Zunächst wollte der Staatsanwalt offenbar ein Gespräch am 29. März mit der betroffenen Ministerin und ihren Angehörigen auf dem familiären Hof abwarten.

Ob Justizminister Biesenbach vorab mündlich über den heiklen Ermittlungsstand informiert war, blieb am Montag unklar. Die Opposition von SPD und Grünen wirft der schwarz-gelben Landesregierung vor, sie habe die Affäre wider besseres Wissen wochenlang aufgebauscht, um Mitleid für eine angeschlagene Ministerin zu wecken.

Die sogenannte Hacker-Affäre hatte im Frühjahr bundesweites Aufsehen erregt. Schulze Föcking, die zuvor wegen angeblicher Missstände auf dem Schweinemast-Betrieb ihres Mannes zahllose Hassmails und Schmähungen von vorgeblichen Tierschützern erhalten hatte, hatte am Abend des 15. März der Polizei einen Hackerangriff auf ihr Wohnhaus gemeldet. Zuvor war auf zunächst rätselhafte Weise die Aufzeichnung einer Landtagsdebatte um ihre Person auf dem TV-Gerät im Wohnzimmer gestartet worden. Die Ermittlungen ergaben jedoch schnell, dass das Video nicht etwa von Fremden, sondern wohl versehentlich vom Tablet der Mutter der Ministerin aktiviert worden war.

Am Montag räumte Schulze Föcking vor einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags ein, der Staatsanwalt habe ihr am 29. März mitgeteilt, dass sich "der Anfangsverdacht nicht bestätigt" habe. Gleichwohl informierte die CDU-Politikerin weder die Landtagsfraktionen, die ihr zunächst Solidarität bekundet hatten, noch die Öffentlichkeit. Die "Presse-Hoheit" habe bei der Staatsanwaltschaft Köln gelegen, rechtfertigte sich Schulze Föcking am Montag. Ähnlich hatte sich auch Regierungschef Armin Laschet gegen Vorwürfe verteidigt, sein Regierungssprecher habe die Affäre zunächst hochgespielt und dann nicht rechtzeitig dementiert. Schulze Föcking zitierte im Ausschuss aus obszönen, brutalen Schreiben an sie und beschrieb die damals von Angst und Hetze geprägte Atmosphäre für sie und ihren Mann, die beiden minderjährigen Söhne und ihre Eltern als "Albtraum für die Familie".

Erst am 7. Mai - also 50 Tage nach dem ersten Bericht des Staatsanwalts und 40 Tage nach dessen Besuch auf dem Bauernhof - räumten die Ministerin und die Düsseldorfer Staatskanzlei ein, dass es nie einen Hackerangriff gegeben habe. Am 15. Mai trat die entnervte Ministerin von ihrem Amt zurück.

© SZ vom 27.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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