Nordkorea:Torte und ein geschonter Falke

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Füllendes Thema: Eine Zeitung im Stadtstaat Singapur berichtet über das Treffen von Donald Trump und Kim Jong-un an diesem Dienstag. (Foto: Tyrone Siu/REUTERS)

Vor dem Treffen zwischen US-Präsident Trump und Nordkoreas Staatschef Kim gibt es in Singapur einige Überraschungen.

Von Christoph Giesen und Christoph Neidhart, Singapur/Tokio

So nah und doch so fern: Keine fünf Minuten Fußweg trennen derzeit in Singapur Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un vom US-Präsidenten Donald Trump. Kim ist mit seiner Entourage im St. Regis abgestiegen, Trumps Delegation wohnt nur wenige Straßen entfernt im Shangri-La. Einen Tag vor ihrem Treffen sind sich die beiden Protagonisten jedoch noch nicht begegnet. Kim verschanzte sich bis zum Abend im Hotel, dann brauste er mit seinem überlangen Auto in die Nacht davon. Trump zeigte sich kurz gegen Mittag und ließ sich zum Lunch von Singapurs Premierminister Lee Hsien Loong einladen. Die wichtigste Nachricht dieses Treffens: Trump bekam drei Tage vor seinem 72. Geburtstag eine Torte geschenkt und versprach, im Herbst den Stadtstaat erneut zu besuchen. Dann telefonierte Trump mit einigen wichtigen Verbündeten. Bundeskanzlerin Angela Merkel war, nach allem, was man weiß, nicht darunter.

Schon die Tatsache, dass die nordkoreanischen Medien vorab berichten, ist bemerkenswert

Ansonsten blieb der US-Präsident für seine Verhältnisse sonderbar still. Er äußerte sich nur über Twitter aus seinem Hotel: "Großartig, in Singapur zu sein, Vorfreude in der Luft!", schrieb er. Alles Weitere überließ er seinem Außenminister. Mike Pompeo sagte, am Ende des Tages müssten sich zwei Verhandlungspartner gegenseitig vertrauen können.

Zwei Mal war Pompeo in den vergangenen Wochen nach Nordkorea gereist, um sich mit Kim Jong- un zu treffen - das erste Mal noch in seiner früheren Position als Direktor des Geheimdienstes CIA, dann als Chefdiplomat. Fast den gesamten Tag über berieten Unterhändler beider Seiten. Auf nordkoreanischer Seite sind das vor allem Außenminister Ri Yong-ho sowie der ehemalige Geheimdienstchef Kim Yong-chol, der den Gipfel, nachdem er zu scheitern drohte, in New York mit Pompeo wieder vorantrieb.

Begleitet wird Kim zudem von seiner jüngeren Schwester Kim Yo-jong, die als seine Stabschefin stets in seiner Nähe ist und ihn zuweilen fast mütterlich umsorgt. Sie hatte gemeinsam mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in das Tauwetter eingeleitet und war zu den Olympischen Winterspielen nach Pyeongchang gereist. Die 30-Jährige hat direkt nach der Universität eine Karriere in der Verwaltung eingeschlagen, es wird erzählt, ihr Vater, der vorige Diktatur Kim Jong-il, habe sie ausländischen Gästen schon als Kind als künftige Politikerin vorgestellt.

Aus Sicht von US-Außenminister Pompeo seien die Vorbereitungsgespräche besser gelaufen als gedacht. Die Vereinigten Staaten seien zudem bereit, Nordkorea beispiellose Sicherheitsgarantien zu geben, sagte er. Trump erkenne an, dass Nordkorea ein Bedürfnis nach Sicherheit habe. Von den Sicherheitsvereinbarungen würden auch die nordkoreanischen Bürger profitieren.

Aus der nordkoreanischen Delegation war weniger zu erfahren. Dafür aber aus den Medien des abgeschotteten Landes. Die ganze Welt verfolge den Gipfel, schrieb die amtliche Nachrichtenagentur KCNA. Er wecke "große Erwartungen". Trump und Kim würden "weitreichende und tiefschürfende Gespräche über die Beziehungen zwischen der Demokratischen Volksrepublik Korea und den Vereinigten Staaten führen. Sie werden über die Schaffung eines dauerhaften Mechanismus zur Erhaltung des Friedens und die Verwirklichung der Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel reden", so KCNA.

Schon die Tatsache, dass Nordkoreas Medien dies vorab berichteten, ist bemerkenswert. Noch vor einigen Wochen meldeten sie Kims Reise in Peking erst im Nachhinein, sein Besuch beim chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping blieb geheim, bis Kims gepanzerter Zug wieder nach Nordkorea zurückgekehrt war. Diesmal jedoch verbreiteten die Medien Kims Abreise aus Pjöngjang, sie zeigten Fotos, wie er auf dem Flughafen eine Ehrengarde abschritt, und berichteten, dass er - eigentlich ein Gesichtsverlust - in einer Maschine von Air China nach Singapur flog, statt mit der Chammae-1, seinem etwa 30 Jahre alten Regierungsflieger, einer umgebauten Iljuschin-62 sowjetischer Bauart. Chammae, so heißt der nordkoreanische Nationalvogel, eine Falkenart.

Am Abend dann tauchte schließlich auch Kim Jong-un auf. Ein kleiner Spaziergang in "Gardens by the Bay", einem Park, der auf künstlich aufgeschüttetem Land angelegt worden ist. An seiner Seite Singapurs Außenminister Vivian Balakrishnan. Erst drei Tage zuvor hatte Kim ihn in Pjöngjang gesehen. Balakrishnan war von Donnerstag bis Samstag zur Vorbereitung des Gipfels in die nordkoreanische Hauptstadt gereist. Das Vertrauen ist über Jahre gewachsen.

"Wenn Nordkorea sich öffnet, sind ihm keine Grenzen gesetzt", sagt Singapurs Außenminister

Singapur und Nordkorea unterhalten seit 1975 diplomatische Beziehungen, sie gehörten beide der Bewegung der "blockfreien Staaten" an. Bis vor zwei Jahren konnten Nordkoreaner visafrei nach Singapur einreisen, Singapur hat den Handel mit dem Norden wegen der Sanktionen erst im vorigen November gestoppt. Bis dahin diente der Stadtstaat Nordkorea auch als Drehscheibe für Handel und womöglich auch für illegale Geschäfte.

© SZ vom 12.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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