Nordkorea:Geheimsache "Oswaldo Trump"

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Fotos und Fragen unerwünscht: Ein Mitarbeiter der nordkoreanischen Botschaft in Madrid wimmelt Reporter ab. (Foto: Bernat Armangue/AP)

Was steckt hinter dem ominösen Überfall auf Nordkoreas Botschaft in Madrid? Eine Gruppe von Dissidenten beansprucht die Tat für sich.

Von Christoph Neidhart und Sebastian Schoepp, Tokio/München

Am Donnerstag hat ein spanischer Untersuchungsrichter einen internationalen Haftbefehl gegen mehrere Personen erlassen, die am 22. Februar die nordkoreanische Botschaft in Madrid überfallen haben sollen. Es wird vermutet, sie halten sich jetzt in den USA auf. Damit bestätigte die spanische Justiz einen Zwischenfall erstmals amtlich, über den in der südkoreanischen und spanischen Presse seit einigen Wochen spekuliert worden war. Nach den Berichten sollen am 22. Februar zehn bewaffnete Leute in die Botschaft eingedrungen sein. Sie hätten Angestellte und Diplomaten gefesselt und geknebelt. Die Gruppe schleppte Dokumente und Computer hinaus.

Drei Tage später bekannte sich eine Organisation, die sich "Cheollima Civil Defense" (CCD) nannte, auf ihrer Website indirekt zu dem Überfall. "Unsere Organisation wurde gebeten, Genossen im Westen zu helfen. Das war sehr riskant, aber wir haben geantwortet." Die Madrider Tageszeitung El País meldete nach dem Vorfall, Spaniens Geheimdienst verdächtige die CIA, beteiligt gewesen zu sein.

Laut spanischen Justizunterlagen soll Kopf der Gruppe ein Mann namens Adrian Hong Chang sein, ein mexikanischer Staatsbürger, der in den USA lebt. Hong Chang soll einige Tage vor dem Überfall aus New York nach Spanien gekommen sein. Er soll am 7. Februar in der Botschaft vorgesprochen und sich als Geschäftsmann vorgestellt haben, der Interesse an Investments in Nordkorea habe. Allerdings ließ man ihn nicht vor. Mit seinen Komplizen Sam Ryu und Woo Ran-lee mietete Chang ein Haus in Madrid - das sind die drei, die nun per Haftbefehl gesucht werden. Laut Richter José de la Mata kauften sie Macheten, Messer, Eisenstangen, Masken und Pistolenattrappen.

Die Gruppe drang mit Macheten, Messern und Eisenstangen in die Botschaft ein

Am 22. Februar klopften sie dann wieder an die Tür der Botschaft in einem Madrider Vorort. Ein unachtsamer Mitarbeiter öffnete, die Gruppe drang ein und richtete beträchtliches Chaos an, bevor sie mit Diplomatenautos floh. Hong Chang selbst soll ein Uber-Taxi benutzt haben unter dem Nutzernamen "Oswaldo Trump". Er entkam über Portugal nach Newark und bot Tage später dem FBI Material an, das in der Botschaft erbeutet worden war.

Neuerdings nennt sich die Organisation "Free Jeoson" - Jeoson steht für Korea, meist Nordkorea. Bisher hat sie sich erst einmal öffentlich bemerkbar gemacht. Nach dem Mord an Diktator Kim Jong-uns Halbbruder Kim Jong-nam auf dem Flughafen von Kuala Lumpur wurde dessen Familie nach Macau gebracht. Angeblich steckt die Gruppe dahinter, die die Familie in "Sicherheit gebracht" habe, wie sie auf ihrer damals neuen Website behauptete. Seit einigen Tagen steht darauf: "Nieder mit der Herrschaft der Kim-Familie! Wir erheben uns für unser Volk! Lange lebe das freie Jeoson!" Die Wortwahl und das Vorgehen muten professionell an.

Bis zum Überfall in Madrid wurde während zwei Jahren allerdings kaum etwas auf die Website hochgeladen. Vorige Woche verkündete die Gruppe, sie stelle 200 000 Visa für das "befreite Korea" aus. Bezahlen kann man diese angeblich per Blockchain über das Internet. Damit gebärdet sie sich als eine Art Exilregierung. In einer Erklärung an die Medien bietet sie Journalisten "gute Partnerschaft" an und bittet sie, die Identität ihrer Mitglieder nicht aufzudecken, da man es mit einem mörderischen Regime zu tun habe. In einem 34-Sekunden-Video zeigt sie eine verpixelte Person, die die Porträts von Kim Il-sung und Kim Jong-il zerschlägt. Das Filmchen soll in Nordkorea aufgenommen worden sein, dafür gibt es allerdings keinen Beleg.

Am Donnerstag publizierte die Gruppe eine detaillierte Rechtfertigung des Überfalls in Madrid. Darin heißt es: Nordkoreas Botschaften seien keine traditionellen diplomatischen Vertretungen, sondern Drehscheiben für Drogen- und Waffenschmuggel, Basen für Cyber-Attacken und Propaganda-Stellen eines totalitären Regimes. Der Überfall sei auch gar "kein Angriff gewesen", die Gruppe sei zu Hilfe gerufen worden. "Wir wurden in die Botschaft gebeten. Niemand wurde geknebelt oder geschlagen." Die Menschen in der Botschaft seien würdevoll behandelt worden. Aus Respekt gegenüber Spanien "wurden keine Waffen eingesetzt".

Dem allerdings widerspricht die spanische Justiz. Laut Richter Matas wurde Nordkoreas Geschäftsträger Yun Sok-so geschlagen und verletzt. Man habe ihn mit Eisenstangen bedroht und ihm eine Kapuze über den Kopf gestülpt. Eine Mitarbeiterin sei durch ein Fenster geflohen.

Die Gruppe habe ohne Hilfe eines Drittlandes gehandelt, keine andere Regierung sei informiert gewesen, heißt es in deren Rechtfertigung weiter. Mit dem Treffen von Kim und Donald Trump in Hanoi, das parallel ablief, habe die Aktion nichts zu tun gehabt. Es stimme, die Gruppe habe dem FBI Dateien angeboten. "Aber nicht für Geld oder andere Vergünstigungen." Ebenfalls am Donnerstag behauptete die Gruppe, sie bestehe aus Mitgliedern innerhalb und außerhalb Nordkoreas. Überläufer in Südkorea habe "Free Jeoson" jedoch nie kontaktiert, um deren Sicherheit nicht zu gefährden. Die südkoreanischen Medien vermuten hinter der Gruppe Flüchtlinge aus dem Norden.

Botschafter Nordkoreas in Spanien war bis vor anderthalb Jahren Kim Hyok-chol, der von Kim Jong-un kürzlich zum Sonderbeauftragten für die atomare Abrüstung ernannt wurde. Im Herbst 2017 hatte Madrid Kim Hyok-chol ausgewiesen, um gegen Nordkoreas Atom- und Raketentests zu protestieren. Allerdings gibt es keine Hinweise, "Free Jeoson" habe deshalb die Botschaft in Madrid überfallen. Über einen heimlichen Widerstand gegen das Regime in Nordkorea ist wenig bekannt. Es gibt nur das Buch "Accusations" des Schriftstellers Bandi, ein Pseudonym. Es ist das einzige Buch, das als Untergrundliteratur ins Ausland gelangte, doch wird es von vielen Experten als Fälschung betrachtet.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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