Nordkorea:Aus der Not in die Versklavung

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Die Bevölkerung als Exportprodukt: Das Regime in Nordkorea schickt ganze Arbeitsbrigaden bestehend aus den eigenen Bürgern ins Ausland, wo sie brutal ausgebeutet werden.

Von Christoph Neidhart, Tokio

In der Umgebung von Chegdomyn, tief in der Taiga Ostsibiriens, schuften abgemagerte Arbeiter aus Nordkorea als Holzfäller. Sie leben wie in einem Gulag, überwacht von nordkoreanischen Geheimdienstlern und vom russischen FSB. In ihren Baracken hängen die Porträts der Kims. Im Städtchen Chegdomyn steht ein koreanischer Pavillon, ein Geschenk von Pjöngjang.

Am Mittwoch warf die UN-Menschenrechtskommission Nordkorea vor, es schicke Arbeiter ins Ausland und beute sie dort brutal aus. Damit hat sie ein offenes Geheimnis gelüftet. Die Arbeitsbrigaden aus Nordkorea sind seit Jahrzehnten eine wichtige Einnahmequelle des Regimes. Nach Angaben von Greg Scarlatoiu, dem Chef des "Komitees für Menschenrechte in Nordkorea", erwirtschaften sie jährlich etwa 230 Millionen Dollar, das sind ungefähr acht Prozent der Deviseneinnahmen Nordkoreas. Die Zahl dieser Arbeiter ist seit Jahren ziemlich stabil, etwa 52 000 Nordkoreaner schuften im Mittleren Osten, auch in Katar, wo für die Fußball-WM 2022 gebaut wird, vor allem aber in China und Russland. Zu Nordkoreas Kunden gehört angeblich auch Polen. Die Arbeiter werden auf Baustellen, in der Textilindustrie oder beim Holzabbau eingesetzt. Das System existiert seit 1967, es geht auf den Comecon zurück, die einstige Wirtschaftszone der Sowjethegemonie. Die Sowjetunion bot das Rohmaterial, den Wald, Nordkorea die Arbeitskräfte. Die Profite wurden - und werden - geteilt.

Unter Kim Il Sung, dem Großvater des heutigen Diktators, soll Pjöngjang politische Gefangene als Zwangsarbeiter nach Sibirien geschickt haben. Heute jedoch streiten sich die Leute in Nordkorea um solche Auslandsstellen, wie es heißt. Die Beamten, die sie verteilten, ließen sich bestechen. So schlecht geht es den Menschen in Nordkorea. Allerdings wissen die Bewerber nicht, worauf sie sich einlassen, sie können ihre Einsätze auch nicht wählen. Einmal im Ausland, werden sie wie Gefangene behandelt. Nach den Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation entsprechen ihre Arbeitsbedingungen einer "modernen Versklavung".

Marzuki Darusman, UN-Berichterstatter für Menschenrechte in Nordkorea, sagte, sie würden gezwungen, bis zu 20 Stunden am Tag zu arbeiten. Zudem seien sie unterversorgt. Von ihren Löhnen, etwa 120 bis 150 Dollar pro Monat, zahle ihnen der nordkoreanische Staat nur einen Bruchteil aus. Er sei überzeugt, so Darusman, der UN-Sicherheitsrat müsste Nordkorea dafür beim Internationalen Strafgericht in Den Haag anklagen, "einschließlich jener, die an oberster Stelle Entscheidungen treffen".

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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