Niederlande:"Feldschlacht gewonnen"

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Die Rechtspopulisten siegen bei Regionalwahlen in den Niederlanden. Wahlsieger Baudet ätzt gegen Premierminister Rutte.

Von Thomas Kirchner, München

Die Regionalwahlen in den Niederlanden haben die politische Landschaft verändert. Das erst 2016 gegründete rechtspopulistische Forum für Demokratie von Thierry Baudet wurde nach vorläufigen Ergebnissen vom Donnerstag auf Anhieb landesweit stärkste Partei. Auch in zwei der zwölf Provinzen erhielt das Forum die meisten Stimmen. In der Ersten Kammer des Parlaments in Den Haag, die an der Gesetzgebung mitwirkt wie der deutsche Bundestag, wird sie mit 13 von 75 Sitzen vertreten sein, danach folgen die Rechtsliberalen von Ministerpräsident Mark Rutte mit zwölf Sitzen. Dessen Viererkoalition mit Christdemokraten, Linksliberalen und der ChristenUnie verlor ihre knappe Mehrheit in der Ersten Kammer deutlich. Sie ist künftig angewiesen auf eine punktuelle Zusammenarbeit mit Oppositionsparteien. Infrage kommen die Sozialdemokraten sowie die Grünen, die kräftig zulegten. Insgesamt nahm die beträchtliche Zersplitterung des niederländischen Parteiensystems noch zu.

Das Ergebnis wurde als Wachwechsel bei den Rechten interpretiert, denn die rechtspopulistische Partei für die Freiheit von Geert Wilders verlor vier von neun Sitzen. Viele Wähler wechselten direkt von Wilders zu Baudet. Das Forum für Demokratie ist gegen Einwanderung, gegen die Europäische Union, und es hält den Klimawandel weder für menschengemacht noch für bedrohlich. Im Wahlkampf zog Baudet gegen die Absicht der Regierung zu Felde, den Ausstoß von Klimagasen bis 2030 um 49 Prozent zu senken. Baudet ist zwar weniger islamkritisch als Wilders, zeigt aber eine ähnliche Nähe zur identitären Bewegung, die vorgibt, die christlich-europäische Kultur gegen eine "Überfremdung" und "Umvolkung" zu verteidigen.

"Die Dummheit Ruttes" sei bestraft worden, feixt Wahlsieger Thierry Baudet

Die liberale Zeitung NRC Handelsblad nannte Baudets Erfolg einen "Monstersieg". Der 36 Jahre alte Rechtsphilosoph ist neu in der Politik. Als Doktorarbeit schrieb er eine Verteidigung des europäischen Nationalstaats. In einem anderen Buch untersuchte er die mutmaßliche "Oikophobie" der Europäer, also den "Hass auf das Eigene". Nach einer Zeit als Dozent an der Universität Leiden war er als Autor und Kolumnist tätig, in einem Roman verherrlichte er die Figur des Gigolo. Bekannt wurde er als Organisator des Referendums gegen das Assoziationsabkommen mit der Ukraine, dessen Erfolg ihn 2016 dazu motivierte, aus dem Forum eine "Bewegung" zu machen. Bei der Parlamentswahl 2017 kam das Forum auf zwei Mandate. In der Zweiten Kammer hat sich Baudet mit Reden auf Lateinisch, einem Auftritt in Tarnweste und polemischen Anfragen profiliert.

Die "Dummheit" Ruttes sei bestraft worden, sagte Baudet am Wahlabend, es sei nun nicht mehr möglich, seine Partei zu ignorieren. Seine pathetische Siegesrede war gespickt mit Zitaten und Anspielungen auf Philosophen wie Hegel oder Spengler, dessen Diagnose vom Zerfall des Abendlandes er teilt. Allerdings sieht Baudet auch die Chance auf einen "Wiederaufstieg" der europäischen Zivilisation und eine Wiederherstellung ihrer Größe und Bedeutung. Seine Partei bezeichnete er als "Flaggschiff der Renaissanceflotte": "Wir werden unsre Demokratie retten, und heute, heute haben wir die erste Feldschlacht gewonnen." Zum wiederholten Mal sprach Baudet von "unserer borealen Welt", die kaputt gemacht werde. Den umstrittenen Begriff, der auf ein weißes, christliches Nord-Europa verweist, verwendet auch der französische Rechtsextremist Jean-Marie Le Pen gern.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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