Neues Gesetz:Geheimnis im Keller

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Wer Gold kauft, muss sich künftig fast immer ausweisen. Manche sehen davon ihre Freiheit bedroht.

Von Harald Freiberger

Die Fassade des würfelförmigen Gebäudes im Münchner Osten ist mit Messing verkleidet. Scheint die Sonne drauf, wirkt es wie Gold, und genau das soll es auch, denn es handelt sich um die Filiale des Edelmetallhändlers Pro Aurum. Wer hier reingeht, führt Bestimmtes im Schilde: Er will wertvolle Dinge, meist Silber oder Gold, kaufen oder verkaufen, und nicht selten legt er Bargeld auf den Schaltertisch.

Am Donnerstag beschloss der Bundestag ein Gesetz, das diese Kunden betrifft. Es senkt die Grenze, bis zu der es möglich ist, Edelmetall anonym zu kaufen. Von 10. Januar an liegt sie bei 2000 statt bis dahin 10 000 Euro. Jeder, der mehr kauft, muss seinen Ausweis vorzeigen und seine Daten registrieren lassen. Bisher konnte man sieben Krügerrand-Münzen bar und anonym bezahlen, künftig nur noch eine - wenn der Bundesrat im Dezember zustimmt, was zu erwarten ist.

Hintergrund ist das Geldwäschegesetz, das auch verschärfte Meldepflichten beim Kauf von Immobilien oder Kunst vorsieht. Doch nirgends ist die Aufregung in den Internetforen so groß wie beim Thema Gold. Manche sind verärgert, andere sehen sich sogar massiv in ihrer Freiheit eingeschränkt.

Ist es wirklich so schlimm? Wer kein Geld aus Drogenhandel oder Prostitution waschen will, hat doch nichts zu verbergen, oder? Robert Hartmann, der Gründer von Pro Aurum, gibt eine zweigeteilte Antwort - eine als Edelmetallhändler, eine als Bürger. Als Händler findet er die niedrigere Bargeldgrenze gar nicht so skandalös. "Beim Kauf von Aktien oder Anleihen muss man sich schon ab dem ersten Euro identifizieren." Insofern werde für Gold lediglich eine Ausnahmeregelung angeglichen. "80 Prozent unserer Kunden kaufen ohnehin zu höheren Beträgen als 10 000 Euro", sagt der Händler. Es gehe ihnen darum, ihr Geld anzulegen, nicht darum, dies anonym zu tun.

Als Bürger sieht Hartmann das Thema nicht ganz so gelassen. "Es geht nicht um das singuläre Gesetz, es geht um den Trend weg vom Bargeld, der die Leute sensibel macht", sagt er. Die Produktion des 500-Euro-Scheins wurde eingestellt, die Negativzinsen setzen sich fest, in den Notenbanken gibt es Menschen, die Bargeld am liebsten abschaffen würden, dann könnten sie die Zinsen noch tiefer setzen, ohne dass die Leute ihr Geld abheben.

Für viele Bürger bleibt Bargeld deshalb das, was der russische Schriftsteller Dostojewski einmal "geprägte Freiheit" nannte. Wer mit der Kreditkarte zahlt und Geld aufs Konto legt, hinterlässt Daten, auf die Kreditkartengesellschaft, Einzelhändler und Banken zugreifen. Sicher davor ist nur das Bargeld unterm Kopfkissen. Und der Goldbarren im Keller.

Im Zeitalter von Digitalisierung und Datenmanagement verbreitet sich das dumpfe Gefühl von Überwachung. Anonymität ist vielen Menschen nicht wichtig, weil sie Böses im Schilde führen, sondern weil sie einfach ihr kleines Geheimnis bewahren wollen. Sie wollen nicht, dass Bank, Händler oder Staat über alles genau Bescheid wissen, was sie tun. Wenn man es so sieht, wird das kleine Geheimnis der Bürger durch das neue Gesetz ein wenig kleiner.

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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