Neuer Sexskandal in US-Politik:"Ich bin nicht schwul. Ich war nie schwul."

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Angeblich suchte der erzkonservative Senator Larry Craig Sex im Flughafenklo - als homosexuell will er aber nicht gelten. Nun fordern mehrere Republikaner den Rücktritt ihres Parteikollegen.

Reymer Klüver

Was für ein Spektakel. Das hat es selten gegeben unter dem blauen Himmel Idahos, im fernen Westen Amerikas. Da steht der Senator des Bundesstaates vor dem Wells Fargo Building in der Provinzhauptstadt Boise. Er trägt ein kurzärmeliges, blaues Freizeithemd, als sei es ganz und gar nicht offiziell, was er hier zu sagen hat. Er schwitzt so sehr, dass sich die Sonne auf seiner Stirnglatze spiegelt.

Schwerer Gang: Senator Larry Craig mit Ehefrau Suzanne (Foto: Foto: AP)

Neben ihm steht seine Frau, graublonde Dauerwelle, blaue Jeansjacke, die Augen von einer riesigen pechschwarzen Sonnenbrille verborgen, ihre rechte Hand auf dem Rücken ihres Mannes. Und der spricht nun in die Kameras und zu den Medienleuten, die sich wie Schaulustige am Unfallort um das improvisierte Rednerpult scharen. Doch was heißt, er spricht? Der Senator bellt in die Mikrophone: "Ich bin nicht schwul. Ich war nie schwul."

Amerikas Politik hat einen neuen Sexskandal. Und es trifft einmal mehr die Republikaner, die einst angetreten waren, der Republik ihre unter der libertinären Herrschaft der Demokraten angeblich verlorengegangenen Moralmaßstäbe zurückzubringen. Senator Larry Craig aus Idaho zählte zu denen, die da besonders eifrig waren.

Eigene politische Würze

Der heute 62-Jährige gehörte in den neunziger Jahren zu den Republikanern, denen ihre Führung zu lasch war. Immer wieder sprach er sich vehement gegen mehr Rechte für Schwule aus. Das gibt der ganzen Sache eine eigene politische Würze.

Anlass ist eine Begebenheit auf einer Herrentoilette des Flughafens in Minneapolis Anfang Juni, wo Craig auf seinen Flügen zwischen Washington und Boise umsteigen muss. Es war einer der Zwischenfälle, wie sie mittlerweile wohl so häufig sind, dass die Polizei ermittelt, um das Geschehen zu unterbinden. Denn auf den großen Flughäfen Amerikas verabreden sich, so bestätigen Flughafensprecher in den USA, in immer größerer Zahl Männer, um bei Zwischenstopps schwulen Sex in den Klos zu haben.

Der Polizeibericht in Craigs Angelegenheit, der am Montag den Medien zugespielt wurde, ist ziemlich eindeutig. Craig ging demnach in eine Kabine der Männertoilette. Nach einer Weile tippte er mehrmals mit dem rechten Fuß auf - "eine fast weltweit verbreitete Methode, um der Person nebenan Interesse zu signalisieren", wie der Betreiber einer Schwulensex-Website der New York Times erklärte.

Dann streckte Craig sogar seine Hand durch die Öffnung unten in die Nachbarkabine, um seinen "Wunsch nach sexuellen Handlungen" zu demonstrieren, wie es im Polizeibericht steht. Craig hatte nur das Pech, dass der Mann in der Nachbarkabine eben ein Fahnder in Zivil war.

Es war nur der Beginn einer Kette von Peinlichkeiten. Craig hielt dem Polizisten seine Senatsvisitenkarte unter die Nase mit der Bemerkung: "Was halten Sie davon?" Erwartungsgemäß hielt der Beamte nichts davon und auch nichts von dem Erklärungsversuch Craigs für seine Füßelei, dass er nämlich für gewöhnlich sehr breitbeinig auf Klo gehe.

Eine Anzeige wegen "ungebührlichen Benehmens" in der Öffentlichkeit folgte. Craig bekannte sich schuldig, zahlte 575 Dollar und erzählte niemandem etwas davon. Das konnte nicht gutgehen.

Der Republikaner Larry Craig gilt als Hardliner. (Foto: Foto: AP)

Nur ein panischer Moment?

Denn Gerüchte über Craigs sexuelle Orientierung gibt es bereits seit den achtziger Jahren.

Und seit Monaten recherchierte der Idaho Statesman in der Sache, die konservative Zeitung einer erzkonservativen Gegend, in der die oscargekrönte Saga der schwulen Cowboys von "Brokeback Mountain" spielt, von denen einer seiner sexuellen Vorlieben wegen erschlagen wird.

Craig kämpft zumindest um sein politisches Überleben. Er führte nun, bei seinem Auftritt in Boise, die Recherchen seiner Heimatzeitung als Grund an, dass er sich in Minneapolis überhaupt für schuldig erklärt habe. Die "Hexenjagd" der Medien habe ihn in Panik versetzt. Er sei unschuldig, beteuerte er. In Minneapolis jedoch hatte er, zur Beilegung der Sache, unterschrieben, dass "ich nicht behaupte, unschuldig zu sein".

Craig hatte seinen Rechtfertigungsauftritt in Boise schon, wenn man in diesem Zusammenhang so will, auf dem falschen Fuß begonnen. Er hatte die Medienleute, die zu Dutzenden sogar aus Washington eingeflogen kamen, mit den Worten begrüßt, wie sehr er doch allen danke, in die Provinz herausgekommen zu sein.

Im Englischen gebrauchte er dafür das Wort coming out - was natürlich auch die Bedeutung haben kann, seine homosexuelle Orientierung zu offenbaren. Keiner der Talkshow-Moderatoren in den Late-Night-Shows am Abend, die das politische Geschehen des Tages für gewöhnlich mit Hohn und Spott und mitunter Gift und Galle überziehen, ließ sich diesen Gag entgehen.

Parteifreunde distanzieren sich

Überhaupt hat ihm niemand die Erklärung abgenommen. Zumal nicht seine Parteifreunde. "Dies ist eine ernste Angelegenheit", urteilte der republikanische Senatsführer und überwies Craigs Liste rechtlicher Sünden an den Ethikausschuss des Senats.

Mitt Romney, Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, der als Anwalt von Anstand und Sitte auftritt, distanzierte sich vehement: "Offen gesagt, das ist widerlich", erklärte er. Craig war bis Wochenanfang Romneys Statthalter in Idaho.

Der indes bat vor dem Wells Fargo Building in Boise "die Menschen in Idaho, mir zu vergeben". Im September wollte Craig eigentlich verkünden, dass er zur Wiederwahl antreten will. Noch hat er nichts Gegenteiliges verlauten lassen.

Führende Vertreter der Republikaner fordern nun den Rücktritt des 62-Jährigen, der sich stets gegen mehr Rechte für Homosexuelle ausgesprochen hat. "Wer sich zu einer Straftat bekannt hat, sollte kein Mandat bekleiden", sagte Präsidentschaftskandidat John McCain in Washington. Das Präsidialamt äußerte sich enttäuscht über Craig.

© SZ vom 30.08.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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