Neuer Duden:Vom Arschrunzeln in der Zipphose

Lesezeit: 2 min

5000 Wörter zusätzlich hat das Nachschlagewerk in seiner neuesten Ausgabe aufgenom-men, darunter "tindern" oder "chillig". Die Sprache wird dadurch nicht untergehen.

Von Hermann Unterstöger

Die meisten Verlage wären glücklich, wenn ihren Novitäten ein Zehntel der Aufmerksamkeit, zur Not auch der Häme, beschieden wäre, die dem Duden bei jeder Neuauflage zuteil wird. Eben jetzt hat der Dudenverlag mit dem für ihn üblichen dezenten Getrommel angekündigt, dass er einen um 5000 Wörter erweiterten Rechtschreibduden auf den Markt bringt, den mit 145 000 Stichwörtern "umfangreichsten und aktuellsten, den es je gab", und wie immer bei solchen Gelegenheiten ging es wie ein Rauschen durch die Presse: sieben Wörter raus, 5000 rein, das macht netto 4993, darunter Arschrunzeln, Dubstep, Hoodie, tinder n, Zipphose u nd Namaste, ja, ist das noch unser Deutsch?

Da der Duden nicht mit Flugasche gefüllt wird, sondern mit Wörtern, die sozusagen noch brennen, das heißt in elektronischen und anderen Quellen als "gebräuchlich" nachgewiesen werden, wird es sich wohl um unser Deutsch handeln. Das ist freilich eine zunächst rein quantitative Bewertung. Man muss kein Skeptiker oder Pessimist sein, um an der schieren Wortmasse vorbei die Frage zu stellen, ob das Arschrunzeln im Interesse der Sprachqualität nicht besser in der Zipphose, was immer das sein mag, geblieben wäre.

5000 Wörter zusätzlich hat das Nachschlagewerk aufgenommen

Das Beharren auf Qualität hat aber auch seine Tücken. Allzu leicht wird beim Messen des Niveaus das als Pegel benützt, was eigene Vorliebe ist, wohlerworbene Kompetenz, persönlicher Geschmack. Ebenso leicht erliegt man der Versuchung, aus neuen, seltsamen, möglicherweise widerwärtig klingenden Wörtern auf einen generellen Verfall der Sprache zu schließen und dabei zu übersehen, dass der Hase ganz woanders im Pfeffer sitzen könnte: Das Deutsche leidet weniger an Sätzen mit chillig, Jumpsuit oder facebooken als daran, dass diese Sätze von vielen nicht korrekt zu ihrem Ende gebracht werden können.

Ein Standardvorwurf an den Duden lautet, dass er allen Mist aufnehme, was dieser mit dem Hinweis kontert, dass er nur registriere, nicht werte. So harmlos, wie sich das anhört, ist es nicht, da man beim Duden sehr gut weiß, wie getreulich die Deutschen ihr Sprachfähnlein nach dem Wind richten, der von den Dudenbüchern her weht, dass also mit jeder Neuaufnahme eine kleine kulturpolitische Verantwortung übernommen wird. Besagter Vorwurf verliert übrigens an Schärfe, sobald an die Praxis erinnert wird, wonach abgestorbenes Wortgut nach angemessener Verweildauer aus dem Duden fliegt. Die Sprache hat einen prächtigen Appetit und gottlob eine ebenso prächtige Verdauung.

Zuzeiten musste dieser Verdauung aus außersprachlichen Gründen nachgeholfen werden. In Wolfgang Werner Sauers großer Duden-Studie (1988) ist die Seite 236 von 1947 der von 1942 gegenübergestellt. Da man nach dem Krieg möglichst viel vom alten Stehsatz verwenden wollte respektive musste, nahm man das Lemma Hitler heraus und reicherte dafür den Hirten mit Komposita wie Hirtenschaft und Hirtentäschel an. Das Stichwort HJ wurde gewissermaßen verlängert, und zwar zu " Hjalmar (nord., männl. Vn.)".

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: