Neuer Datenschutzbericht:Eine Debatte im Trüben

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Der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar hält den Fingerabdruck im Pass und die Online-Durchsuchung, die die Große Koalition plant, nicht nur für gefährlich, sondern auch für unsinnig.

Thorsten Denkler, Berlin

Die Szene kommt in den schlechtesten Kriminalfilmen vor: Nach der Verhaftung werden dem vermeintlichen Täter die Fingerabdrücke genommen. Spätestens wenn der Daumen auf das Stempelkissen gedrückt wird, fühlt sich jeder wie ein Verbrecher. Egal, ob er sich etwas zu Schulden hat kommen lassen oder nicht.

Fingerabdrücke gehören seit gut 70 Jahren zu den wichtigsten erkennungsdienstlichen Instrumenten. Sie helfen, Verbrechen aufzuklären. Verbrechen verhindern konnten sie bisher nicht. Das sagt auch Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. "Es gibt dafür bis heute keinen Beleg", sagte Schaar während der Vorstellung seines 21. Tätigkeitsberichtes in Berlin.

Schaars Satz dürfte von den Sicherheitspolitikern im Bund wohl überhört werden. Union und SPD haben sich nach Medienberichten gestern Abend geeinigt, künftig den Fingerabdruck auf einem elektronischen Chip im Pass zu speichern.

Sie sollen jetzt lediglich zur Feststellung der Identität ausgelesen werden können, danach aber sofort wieder gelöscht werden. Eine Vorratsspeicherung der Daten, wie sie etwa von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gefordert wurde, ist damit vom Tisch.

"Debatte im Trüben"

Schaar begrüßte zwar, dass es keine zentrale Datei geben solle. Das Instrument als solches hält er dennoch für fragwürdig. Der einzige ihm bekannte Grund für die Aufnahme des Fingerabdruckes in den Pass sei, Terrorakte zu verhindern. Eine Vorstellung, der Schaar deutlich widersprach: "Weder bei den Terroranschlägen von London und Madrid noch beim versuchten Kofferbomben-Anschlag von Köln haben gefälschte Identitätspapiere eine Rolle gespielt."

Auch einen zweiten Vorschlag von Schäuble findet Schaar unausgegoren: die Online-Durchsuchung. Das sei eine "Debatte im Trüben", sagte Schaar. Zu viele Fragen seien einfach nicht geklärt. Etwa die, was genau eine Online-Durchsuchung denn sein soll?

Möglichkeiten gibt es da viele. Theoretisch kann die komplette Festplatte über eine schnelle Datenverbindung auf die Rechner der Polizei kopiert werden. Es kann auch jeder Anschlag auf der Tastatur registriert werden. Passwörter lassen sich so leicht ausspionieren.

Wegen Trunkenheit am Steuer unter Terrorverdacht?

In jedem Fall aber müssten kleine Programme auf dem Rechner der Zielperson installiert werden, die den Zugriff auf das System ermöglichen. Ein Trojaner etwa. Der Nutzer würde davon nichts merken.

Das dürfte wenig problematisch sein, wenn die Zielperson schon unter Tatverdacht steht. Diskutiert wird aber, die Online-Durchsuchung präventiv durchzuführen. Theoretisch könnte es jeden treffen, der aus welchem Grund auch immer ins Visier der Fahnder gerät.

Ein Fall aus Schaars Praxis zeigt, wie schnell "normale Bürger" plötzlich unter Terrorverdacht geraten können. Schaar berichtet von seiner Prüfung des Terrorabwehrzentrums in Berlin im Oktober 2005. Dort seien ihm "schwerwiegende datenschutzrechtliche Mängel" aufgefallen.

Gut 100 Datensätze der Länderpolizeien wurden vom Bundeskriminalamt ungeprüft an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergereicht. Zwar sollten die Datensätze bestimmte terrorrelevante Kriterien erfüllen. Das taten sie aber nicht. "Da wurden Daten von Menschen weitergereicht, die vielleicht mal wegen Trunkenheit am Steuer polizeilich aufgefallen sind", sagte Schaar.

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