Neue Haushaltslücke:Steinbrück soll noch mehr Schulden machen

Lesezeit: 3 min

Die Koalition will die Städte und Gemeinden mit zusätzlichen 1,3 Milliarden Euro für die Kosten von Hartz IV entschädigen. Der Finanzminister ist gegen die Mehrausgaben, Vizekanzler Müntefering spricht dagegen von einer "guten Nachricht" für die Kommunen.

Ulrich Schäfer

Die Spitzen von Union und SPD verständigten sich am Donnerstag im Koalitionsausschuss darauf, die Gemeinden großzügig für ihre Ausgaben wegen der Arbeitsmarktreform Hartz IV zu entschädigen.

Der Widerstand Steinbrücks gegen die Mehrausgaben ist vorprogrammiert, jedoch wenig aussichtsreich. (Foto: Foto: dpa)

Laut Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) bedeutet dies Mehrausgaben von etwa 1,3 Milliarden Euro. Falls es nicht gelinge, das Geld im Bundesetat einzusparen, seien dies ¸¸Schulden obendrauf". Müntefering räumte ein, dass der Finanzminister einer solchen Lösung nie zustimmen könne.

In der ersten Sitzung des Koalitionsausschusses einigten sich SPD und Union nach Angaben Münteferings, dass der Bund entgegen früheren Planungen auch im kommenden Jahr an die Städte und Gemeinden 29,1 Prozent der Wohnungskosten für die Bezieher von Arbeitslosengeld II zahlt. Im laufenden Jahr entspräche dies etwa 3,55 Milliarden Euro, rechnete Müntefering vor.

Unionskreise rechnen mit noch höheren Mehrausgaben

Gegenüber den bisherigen Haushaltsplanungen für 2006 bedeute dies eine Finanzlücke von 1,3 Milliarden Euro. ¸¸Dieses geht zu Lasten von Steinbrück", sagte Müntefering. ¸¸Er hat sein Missfallen deutlich zum Ausdruck gebracht, aber wir haben das so gemacht." Ein Sprecher des Finanzministeriums bestätigte die von Müntefering genannte Zahl. In Kreisen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war sogar von mehr als drei Milliarden Euro die Rede.

Müntefering sagte, er habe keine andere Möglichkeit gesehen, ohne die Zahlungen zu gefährden. Bislang war für 2006 kein Bundesanteil vorgesehen. Nach Darstellung der Kommunen hatte Müntefering zuletzt einen Bundesanteil von 19 Prozent angeboten. Das Kabinett soll laut Müntefering am kommenden Mittwoch entscheiden. Am gleichen Tage soll das Gesetz in den Bundestag eingebracht werden. Wenn der Bundesrat dem Vorhaben am 21. Dezember zustimme, könne es im Januar in Kraft treten. Lehne er es ab, fehle erst einmal die Grundlage für Bundeszahlungen 2006.

"Eine gute Nachricht"

Für die Menschen sowie die Kommunen und Landkreise sei die jetzt gefundene Lösung ¸¸eine gute Nachricht", wertete Müntefering. Sie dokumentiere die Handlungsfähigkeit der neuen Regierung. Die kommunalen Spitzenverbände begrüßten den Vorschlag Münteferings als vernünftigen Kompromiss und dankten dem Minister ausdrücklich für sein Entgegenkommen.

Die Regierung plante bereits vorher mit einer Rekord-Kreditaufnahme für das kommende Jahr in Höhe von 41,3 Milliarden Euro. Diese könnte sich nun je nach Rechnung auf bis zu 44 Milliarden Euro erhöhen. ¸¸Der Beschluss des Koalitionsausschusses erhöht den Spar- und Konsolidierungsdruck", sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Kampeter. Steinbrücks Sprecher ergänzte, nun sei das ganze Kabinett in der Pflicht.

Steinbrück war bei der zweistündigen Sitzung im Kanzleramt nicht anwesend. Anders als die Parteivorsitzenden, Generalsekretäre und Fraktionschefs gehört er dem Koalitionsausschuss nicht an. Für ihn ist dies eine empfindliche Niederlage. Müntefering erklärte, dass er als Arbeitsminister den Fehlbetrag nicht an anderer Stelle in seinem Etat einsparen werde. Das zusätzliche Geld stamme ¸¸nicht aus meinem Haushalt, sondern aus dem Haushalt des Finanzministers".

Über die Ausgleichszahlung für die Wohnungskosten hatte es in den vergangenen Monaten heftigen Streit zwischen dem Bund und den Kommunen geben. Der damalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement wollte zeitweise überhaupt kein Geld an Städte und Gemeinden überweisen, weil diese an anderer Stelle durch die Arbeitsmarktreform entlastet werden. Die Kommunen wiederum pochten auf die Vereinbarungen im Zuge der Hartz-IV-Reform.

Um den langandauernden Streit zu beenden, verständigten sich der Koalitionsausschuss nun darauf, den Kommunen 2005 und 2006 die gewünschten Milliarden zu überweisen. Für die folgenden Jahre soll ein neues Gesetz mit eindeutigen Regelungen geschaffen werden.

Konsolidierung gefährdet

Die Entscheidung der großen Koalition bedeutet eine weitere Erschwernis für die Bemühungen Steinbrücks, so bald als irgend möglich einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen. Zuletzt war der Finanzminister auch mit seinen Plänen, Biodiesel von 2007 an voll zu besteuern, auf Widerstand in den Koalitionsafraktionen gestoßen.

Müntefering und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollen damit die Stimmung zwischen dem Bund sowie den Ländern und Kommunen verbessern und die Basis für einen föderalen Finanzpakt legen. Auch der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte sich dafür eingesetzt, den Ausgleichsbetrag vorerst in voller Höhe zu zahlen. ¸¸Das ist für die Kommunen eine gute und wichtige Entscheidung", sagte der bayerische Ministerpräsident. Zustimmend äußerte sich auch der SPD-Vorsitzende, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck.

© SZ vom 9.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: