Neue Datenschutzbeauftragte Voßhoff:Fünf Chancen für "Datenschutz-Paula"

Lesezeit: 3 min

Andrea Voßhoff, die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. (Foto: dpa)

Sie gilt bislang nicht gerade als Verfechterin digitaler Bürgerrechte. Nun tritt die CDU-Politikerin Andrea Voßhoff ihr Amt als oberste Datenschützerin an. Die SPD hofft auf eine Wandlung der "Saula" zur "Paula". Fünf Schritte, in denen das klappen kann.

Von Johannes Kuhn

Womöglich hat Andrea Voßhoff den Tiefpunkt bereits hinter sich. Als im Dezember bekannt wurde, dass die CDU-Rechtspolitikerin Deutschlands oberste Datenschützerin wird, schwankten die Reaktionen zwischen mittelgroßer und heftiger Empörung.

Internet-Aktivisten, die Opposition und viele Medien waren sich einig: Jemand, der im Bundestag für Vorratsdatenspeicherung, BKA-Gesetz und "Zensursula"-Netzsperren gestimmt hat, sei für eine solche Aufgabe absolut ungeeignet.

Eine Mischung aus großkoalitionärer Posten-Arithmetik und sozialdemokratischem Desinteresse am Thema macht es möglich, dass Voßhoff am Dienstag dennoch ihr Amt antritt.

Wohnt die Bundesrepublik also der Installation eines Merkel'schen Bundestrojaners bei, der ein weitaus unkritischeres Amtsverständnis als ihr Vorgänger Peter Schaar pflegt? Oder haben wir es mit einer "spektakulären Wandlung der Sicherheits-Saula zur Datenschutz-Paula" zu tun, wie SPD-Vize Ralf Stegner es formulierte?

Fünf Jahre hat Voßhoff Zeit, die Antwort zu geben. Eigentlich kann sie die geringen Erwartungen nur übertreffen. Muss sie auch, wenn sie ihrer Aufgabe gerecht werden möchte. Fünf Punkte, derer sie sich dringend annehmen muss.

Die Vorratsdatenspeicherung überdenken:

Die dringendste, persönlichste und damit schwierigste Aufgabe, denn Voßhoff hat sich ohne Not bereits festgelegt. "Meine Grundposition ist, dass eine datenschutzkonforme Vorratsdatenspeicherung ein wirksames Instrument der Kriminalitätsbekämpfung sein kann", sagte sie dem Spiegel. Das entspricht der Grundhaltung der Rechtsexpertin - doch was für die CDU-Politikerin Voßhoff legitim ist, verträgt sich nicht mit der Aufgabe der Datenschützerin Voßhoff, die Rechte der Bürger zu verteidigen.

Beide Rollen lassen sich nicht vollständig versöhnen, aber die Wahl-Brandenburgerin sollte sich zumindest bei der Dauer der Speicherfrist nicht voreilig festlegen. Die anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist eine gute Gelegenheit, auf EU-Ebene den tatsächlichen Nutzen der Vorratsdatenspeicherung zu überprüfen und dann erst eine Empfehlung abzugeben. Wieso sollte der Vorstoß zur Überprüfung nicht von Voßhoff kommen?

Die internationale Dimension erklären:

Regierungen blockieren die Reform der EU-Datenschutzverordnung, eine Debatte über die Neu-Verhandlung des Datenaustauschs mit den USA (Safe Harbour) findet nicht statt - trotz des NSA-Skandals und der Debatte um den Umgang internationaler Unternehmen mit den Daten von Europäern.

Hier geht es für die Bundesdatenschutzbeauftragte nicht nur darum, an ein zügiges Vorankommen zu appellieren - vielmehr muss sie die abstrakten Probleme der Datenverarbeitung den Bürgern konkret erklären. Damit würde sie auch einen anderen Akzent als ihr Vorgänger setzen, der zwar den Kern der Internet-Aktivisten erreichte, aber in der Bevölkerung kein Bewusstsein für die Tragweite des Datenschutzes im digitalen Zeitalter schaffen konnte.

Die Komplettvernetzung angehen:

Heute sind es Telefon und Fernseher, die "smart" und online sind - bald Kühlschränke, Autos und flächendeckend verbaute Mikro-Sensoren, die über das Internet kommunizieren. Was gerade in den USA Realität wird, kommt auch auf uns zu: Versicherungen, die ihre Policen an das Fahrverhalten anpassen. Unternehmen, die Computer-Algorithmen über Bewerber entscheiden lassen. All das wirft Fragen auf: Wie weit dürfen die Angebote, die daraus entstehen, auf Nutzerdaten zurückgreifen? Welche Regeln begrenzen den Einsatz von Biga-Data-Techniken, also der Auswertung der massenhaft produzierten Daten. Andrea Voßhoff wird das Thema ohnehin angehen müssen - es kann nicht schaden, sich dort auszukennen.

Informationsfreiheit wiederbeleben:

Auskunftsrechte für Bürger existieren inzwischen, doch in vielen deutschen Behörden ist Transparenz weiterhin ein Wort, das Angst macht. Der Koalitionsvertrag ist in dieser Hinsicht äußerst unambitioniert; während andere Länder von Estland bis zu den Vereinigten Staaten mit Hilfe des Internets für die Allgemeinheit relevante Informationen zugänglich machen, verliert Deutschland hier den Anschluss.

Dass Voßhoffs Posten "Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit" heißt, ging in den vergangenen Jahren fast unter. Jetzt wäre die richtige Gelegenheit, daran zu erinnern und entsprechende Schwerpunkt zu setzen.

Reform der Zuständigkeiten angehen:

Datenschutzbeauftragte unterstehen dem Innenministerium, so ist es auch auf Länder-Ebene geregelt. Entsprechend ist die Besetzung des Postens stets politisch gefärbt. Zeitgemäß ist dies angesichts der Bedeutung des Themas nicht mehr. Der nächste Datenschutzbeauftragte sollte unabhängig agieren können, wie es bereits Prüfgremien wie der Bundesrechnungshof tun - und Voßhoff sollte sich dafür einsetzen.

Wer ehrlich ist, muss auch gestehen: Datenschutz und Informationsfreiheit sind im 21. Jahrhundert so wichtig, dass sie jeweils einen eigenen Beauftragten vertragen könnten. Zudem gilt: Institutionell sollte Voßhoff ihre Behörde weg von der Politik, räumlich jedoch näher dorthin rücken - und von Bonn nach Berlin umziehen.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: