Netflix:Popcorn-Premiere

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Der Streamingdienst bringt eigene Filme für kurze Zeit in die Kinos. Das macht Ärger.

Von David Steinitz

Der Streamingdienst Netflix steckt in einer Zwickmühle. Einerseits besteht das Geschäftsmodell des Unternehmens darin, Abonnenten für seine Online-Videothek zu gewinnen, sprich, Serien und Filme exklusiv im Internet zu zeigen. Andererseits möchte Netflix nicht auf den Glamour verzichten, den die gute alte Institution Kino mit sich bringt.

Deshalb setzt die Firma 2019 so stark wie noch nie zuvor auf die Rekrutierung berühmter Kinoregisseure. Oscarpreisträger Steven Soderbergh zum Beispiel hat für Netflix gerade den Geldwäsche-Krimi "The Laundromat" über die Enthüllungen der "Panama Papers" gedreht. Er feiert am Wochenende Premiere bei den Filmfestspielen in Venedig. Und Oscarpreisträger Martin Scorsese hat für Netflix den Thriller "The Irishman" inszeniert, mit Robert De Niro und Al Pacino in den Hauptrollen, der Ende September beim Festival in New York Premiere hat. Einerseits sind diese Projekte für Netflix eine tolle Eigenwerbung - andererseits machen sie aber auch jede Menge Ärger. Denn Regisseure des Kalibers Scorsese und Soderbergh lassen sich zwar gerne auf einen Deal mit der Internetfirma ein, bestehen aber meistens auch auf einer Kinoauswertung ihrer Werke. Erstens, weil sie sich nicht in dem Wust der Billigware, aus der Netflix' Mediathek zu großen Teilen auch besteht, verramschen lassen wollen. Und zweitens, weil sie mit einem reinen Online-Film keine weiteren Oscars gewinnen können. Die Regularien der Amerikanischen Filmakademie sehen vor, dass man nur für einen Oscar nominiert werden kann, wenn ein Film auch im Kino gelaufen ist. Das wiederum klingt aber einfacher, als es in der Realität ist, denn Kinobetreiber auf der ganzen Welt sind alles andere als gut auf Netflix zu sprechen. Die Firma wird in der Kinobranche, die seit Jahren mit sinkenden Besucherzahlen kämpft, als weiterer Sargnagel betrachtet. Zumal Netflix das Zeitfenster zwischen Kino- und Heimauswertung immer weiter verkürzen will.

Ginge es nach dem Streamingdienst, sollen seine Prestigeproduktionen kurz im Kino laufen und schon ein paar Wochen oder gar Tage später online stehen. Da aber wollen zumindest die großen US-Kinoketten wie AMC und Cineplex nicht länger mitspielen, weil sie argumentieren, dass kein Mensch extra ins Kino gehe, wenn er wisse, dass er den Film übermorgen daheim anschauen könne. Deshalb sind in dieser Woche die Verhandlungen über einen großen Kinostart von Scorseses "Irishman" in den USA geplatzt. Der Film wird Anfang November nur in einer Handvoll kleinerer Kinos laufen und von 27. November an weltweit online. Ob es in Deutschland eine Kinoauswertung geben wird, steht laut Netflix' deutscher PR-Agentur noch nicht fest.

Diese Entwicklung könnte sich als Eigentor erweisen, wenn es darum geht, weiterhin berühmte Regisseure an Bord zu holen, die darauf bestehen, dass ihre Werke auch auf der großen Leinwand laufen. Alfonso Cuarón zum Beispiel, der für seinen Netflix-Film "Roma" einen Oscar gewann, hat sich bereits bitter beschwert, dass die Firma die Sache mit der Kinoauswertung endlich ernst nehmen müsse.

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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