Nestor Kirchner:Kampfloser Sieger in Argentinien

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Argentiniens neuer Präsident konnte am Ende wenig dafür, aber richtig gewählt worden ist er trotzdem nicht.

Peter Burghardt

(SZ vom 16.5. 2003) - Im ersten Durchgang hatte Nestor Kirchner ja bloß 22 Prozent der Stimmen bekommen und hinter Carlos Menem (24Prozent) Platz zwei belegt - dessen Rückzug vor der für Sonntag geplanten Stichwahl beschert ihm nun einen unglücklichen Frühstart.

Zwar hätte er den Showdown voraussichtlich so deutlich gewonnen wie zuletzt der mythisch verklärte Juan Domingo Peron 1973, weil die große Mehrheit Menems Rückkehr verhindern wollte.

Doch nach Menems Flucht bleibt es ein virtueller Sieg, dem eine Niederlage in der ersten Runde mit so geringer Zustimmung vorausgegangen ist, wie sie noch nie ein argentinischer Staatschef bekommen hat.

Das könnte den Ausweg aus der Krise zusätzlich erschweren. Kirchner, 53 Jahre alt, gilt als Kompromisskandidat gegen Menem und als Mann des kommissarischen Präsidenten Eduardo Duhalde, der jetzt wie gewünscht mit einem schwachen Nachfolger seinen Erzfeind Menem besiegt hat.

Profillos

Von den drei Bewerbern der zerstrittenen Peronisten ist er der mit Abstand profilloseste - sein stilles Wesen erinnert eher an den hilflosen Fernando de la Rua von der Radikalen Bürgerunion, den aufgebrachte Massen Ende 2001 aus dem Präsidentenpalast Casa Rosada verjagt hatten.

Kirchner und mit ihm viele Argentinier halten Zurückhaltung für einen Segen: "Die epischen Präsidenten" hätten das Land in den Bankrott geführt, sagt er, "ich bin lieber ein Präsident, der arbeitet". Allerdings stammt auch er aus den Tiefen der peronistischen Macht.

Schweizer Nachfahre

Wie seine Gegner Menem und Rodriguez Saa hat Rechtsanwalt Kirchner eine Region wie einen Privatbesitz geleitet, wenn auch dezenter, in seinem Fall das dünn besiedelte Santa Cruz im Süden Patagoniens.

1991 wurde der Nachfahre Schweizer Einwanderer erstmals zum Gouverneur gewählt, nachdem er zuvor Bürgermeister der Provinzhauptstadt Rio Gallegos gewesen war.

Eine Verfassungsänderung ermöglichte nach 1995 die dritte Wahl 2001. Fast die Hälfte der 200000 Einwohner lebt von einer Verwaltung, die dank umfangreicher Öl- und Erdgasvorkommen sowie staatlicher Vergünstigungen vom Niedergang weniger betroffen war als andere, Justiz und Medien machen wenig Schwierigkeiten.

Vom 25. Mai an führt Kirchner also 37Millionen Argentinier, von denen jeder Fünfte keinen Job hat und jedem Zweiten das Geld nicht reicht.

Die Währung hat 70 Prozent ihres Wertes verloren; nachts trauen sich viele kaum mehr auf die Straße. Roberto Lavagna, der unter Duhalde für eine leichte Erholung gesorgt hatte, bleibt Wirtschaftsminister und ist vermutlich wichtigster Trumpf des Präsidenten.

Hoffen auf den IWF

Kirchner vertraut auf Unterstützung des Internationalen Währungsfonds, obwohl die Regierung den Schuldendienst ausgesetzt hat, will aber die Rolle des Staates wieder stärken. "Wir werden hart gegen die Armut kämpfen", verspricht er. Er werde "kein Gefangener der Konzerne sein". Und: "Ich bin nicht so weit gekommen, um mich mit der Vergangenheit zu verbünden." Noch ist nicht klar, ob er damit Menem meint, Duhalde oder beide.

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