Neonazi-Überfall auf DGB-Reisebus:Tatort Teufelstal

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Nach dem Überfall auf Gewerkschafter an einer Raststätte ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 41 Insassen eines Busses, den ein NPD-Funktionär organisiert hat. Auch unter den Tatverdächtigen sind möglicherweise Mitglieder der Partei.

Kathrin Haimerl

Nach dem Überfall auf einen Reisebus des DGB an der Raststätte Teufelstal häufen sich die Hinweise, dass sich unter den Tatverdächtigen auch NPD-Mitglieder befinden. Am Samstag war ein Gewerkschafter bei der Heimreise von einer Protestkundgebung gegen den Neonazi-Aufmarsch in Dresden schwer verletzt worden. Die Polizei Thüringen sieht sich in der Sache mit scharfer Kritik konfrontiert.

Tatort Teufelstal: An dieser Raststätte kam es zu dem Überfall auf die Gewerkschafter. (Foto: Foto: dpa)

Die Chronik der Ereignisse: Am Samstagabend ging bei der Polizei Gera ein Notruf der überfallenen Gewerkschafter ein. Der Bus hatte an der Raststätte Teufelstal an der A4 nach Angaben der Polizei um 19.25 Uhr Halt gemacht. Die 40 Mitglieder des DGB und der Linken waren auf der Rückreise von der Protestkundgebung gegen den Neonazi-Aufmarsch in Dresden. Bei dem Überfall wurden insgesamt fünf Insassen des Busses verletzt. Ein 42-Jähriger aus Hessen liegt mit einem Schädelbruch im Krankenhaus.

Die Polizei verfolgte daraufhin den Bus der Neonazis auf der Autobahn, dirigierte diesen in eine Parkbucht und anschließend zur Ausfahrt Jena-Lobeda, berichtet Ralf Mohrmann, Sprecher der Staatsanwaltschaft Gera. Bis etwa gegen 21 Uhr habe die Polizei die Personalien der Neonazis aufgenommen. Allerdings hätten die Beamten zu diesem Zeitpunkt lediglich die Information gehabt, dass es bei dem Überfall fünf Leichtverletzte gegeben habe. Deshalb ließen die Beamten den Bus der Neonazis weiterfahren, sagt Mohrmann.

Doch an dieser Darstellung gibt es scharfe Kritik: Hätten die Beamten zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht wissen können, dass es einen Schwerverletzten gab? Bernd Edelmann, Pressesprecher des Thüringer Innenministeriums, weist dies zurück: "Nach den aktuellen Erkenntnissen hatte der diensthabende Polizeiführer keine Handlungsalternative", sagte er zu sueddeutsche.de. Kommende Woche wird der Fall nach Informationen des Tagesspiegel den Innenausschuss des Thüringer Landtags beschäftigen.

"Dreiste Verdrehung der Tatsachen"

Als tatverdächtig in dem brutalen Überfall gelten für die Staatsanwaltschaft Gera alle 41 Businsassen. Gegen einen Schweden, der dabei eine maßgebliche Rolle gespielt haben soll, hat die Behörde einen Haftbefehl erlassen.

Auch für die rechtsextreme NPD könnte der Vorfall zum Problem werden. Denn der Bus, den die Polizei kontrollierte, wurde von Sascha Wagner, dem Vorsitzenden des Partei-Kreisverbands Westpfalz, organisiert. Seinen Angaben zufolge sind unter den 41 Insassen auch bis zu vier NPD-Mitglieder.

Die rechtsextreme Partei hatte sich nach dem Vorfall beeilt, eine Pressemitteilung online zu stellen. Darin lässt sie den Augenzeugen Michael Idir zu Wort kommen, der von einer "dreisten Verdrehung der Tatsachen durch DGB und die Linke" spricht. Idir war nach Angaben von NPD-Landespressesprecher Patrick Wieschke bei dem Überfall vor Ort.

Idir zufolge gingen die Angriffe von der Gegenseite aus. Linke Demonstranten hätten damit begonnen, Flaschen zu werfen. Wieschke sagt zwar, Idir sei nicht NPD-Mitglied. Außerdem wisse er nicht, ob Mitglieder seiner Partei aktiv an dem Vorfall beteiligt gewesen seien. Er spricht aber dennoch immer wieder von "unseren Leuten": "Unsere Leute haben sich nur gewehrt. Das ist aus unserer Sicht vertretbar."

Dieser Darstellung widerspricht die Staatsanwaltschaft Gera vehement: Es gebe "keinerlei Anhaltspunkte" dafür, dass die Gewalt von den Gewerkschaftern ausging, sagt Ralf Mohrmann.

NPD-Funktionär Sascha Wagner, der die Reise zu dem Aufmarsch in Dresden mit mehreren Bussen organisiert hatte, bezeichnet die Busfahrt zwar als "seine Privatsache". Allerdings bewarb er die Fahrt prominent auf der Webseite seines Verbands, um, so Wagner, "auch einige NPD-Mitglieder dafür zu begeistern".

Der Vorfall kommt für die Partei zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Denn die NPD steht derzeit vor einer Zerreißprobe. Der Parteivorstand will so schnell wie möglich Neuwahlen durchführen - um Udo Voigt, den ungeliebten Vorsitzenden, loszuwerden.

Doch erst am Mittwoch hat Andreas Molau, der Udo Voigt das Amt des Vorsitzenden in einer Kampfkandidatur streitig machen wollte, seinen Rückzug angekündet. Dafür liefert sich nun Udo Pastörs, der Fraktionschef von Mecklenburg-Vorpommern, mit NPD-Vorstandsmitglied Jürgen Rieger einen Schlagabtausch. In Teilen geht es dabei auch um die grundsätzliche Haltung der Partei und insbesondere des künftigen Vorsitzenden zu den gewaltbereiten Neonazis.

Doch die Selbstzerfleischung der NPD erreichte am Donnerstag ihren vorläufigen Höhepunkt, als sich die Partei wegen Ungereimtheiten in ihrer Parteikasse selbst bei der Bundestagsverwaltung anzeigte.

De NPD meldete von sich Fehler in ihrem Rechenschaftsbericht 2006. Laut NDR spricht der Vorstand von nicht auffindbaren Spendengeldern in Höhe von einer Million Euro.

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