Nein zum Pariser Abkommen:Zwei gegen 18

Lesezeit: 3 min

Unbequem war für Kanzlerin Merkel das Treffen mit Präsident Erdoğan. "Unterirdisch" sei das Gespräch gewesen, heißt es aus ihrer Delegation. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Dass sich die USA gegen eine Klima-Erklärung stellen würden, war klar. Doch der Widerstand der Türkei ist eine Überraschung.

Von Cerstin Gammelin

Am Ende war es der französische Präsident Emmanuel Macron, der mit einer überraschenden Initiative den kompletten Stillstand beim gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel verhinderte. Macron nahm die komplizierten Verhandlungen über die Zukunft des Pariser Klimaschutzabkommens auf dem G-20-Gipfeltreffen in Hamburg zum Anlass, um nach Paris einzuladen. Am 12. Dezember 2017 soll es in der französischen Hauptstadt erneut einen Klimagipfel geben, einen "Etappengipfel", wie Macron in Paris sagte. Auf dem Treffen will der Gastgeber über den Stand der Umsetzung des 2015 in Paris geschlossenen Klimaschutzabkommens reden - und darüber, auf welche Weise es finanziert werden kann.

Macron sprang mit seinem Vorschlag Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Seite, die trotz intensiver Verhandlungen nicht verhindern konnte, dass es in Hamburg kein einmütiges Bekenntnis der G 20 zum Schutz des Klimas gab.

Wie weit das Zerwürfnis geht, ob es jetzt 1:19 oder 2:18 gegen den Pariser Klimaschutzvertrag steht, war am Ende des Gipfels nicht ganz klar. In der Abschlusserklärung nehmen die "übrigen G-20-Mitglieder" lediglich zur Kenntnis, dass die USA aus dem Klimaabkommen aussteigen wollen. "Die Vereinigten Staaten von Amerika haben angekündigt, dass sie die Umsetzung ihrer gegenwärtigen national festgelegten Beiträge mit sofortiger Wirkung aussetzen werden", heißt es lapidar. Die Kündigungsfrist wird nicht erwähnt.

"Trump ignoriert den Klimawandel, die Türkei will ihren Status geklärt haben."

Schon während der komplizierten Verhandlungen hatte die Sorge bestanden, dass sich weitere Staaten dem Schritt der Amerikaner anschließen könnten. China ließ durchblicken, dass es seinerseits austreten könnte. Auch Saudi-Arabien galt als unsicherer Kandidat. Tatsächlich aber distanzierte sich am Ende die Türkei. Präsident Recep Tayyip Erdoğan betonte, er werde das Klimaabkommen vorerst nicht ratifizieren. Sein Land habe das Dokument von Paris 2015 nur unterschrieben, weil Frankreichs damaliger Präsident François Hollande zugesichert habe, dass die Türkei nicht als Industrieland, sondern als Entwicklungsland klassifiziert werde. Solange dieses Versprechen nicht erfüllt werde, gebe es keine Ratifizierung durch das türkische Parlament. Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth erklärte dazu auf Twitter, Erdoğans Rückzieher sei nicht mit dem von Trump vergleichbar. "Trump ignoriert den Klimawandel, die Türkei will ihren Status geklärt haben."

Der Grund dafür ist, dass die Türkei trotz ihrer Einstufung als entwickelter Staat nicht die gleichen finanziellen Lasten der Klimavereinbarung tragen will wie etablierte Industriestaaten. Im Klimaabkommen von Paris ist vereinbart, dass Industriestaaten ärmeren Ländern vom Jahr 2020 an jährlich 88 Milliarden Euro für Klimaschutz und die Anpassung an Klimafolgen, etwa zum Bau von Deichen, zur Verfügung stellen. Bis 2025 soll ein höherer Betrag vereinbart werden. Die Türkei will nicht in den Fonds einzahlen müssen, sondern stattdessen selbst Geld erhalten.

Nichtregierungsorganisationen waren durchweg unzufrieden mit den Vereinbarungen des G-20-Gipfels zum Klima. Das Ergebnis sei mager, sagte Greenpeace-Experte Tobias Münchmeyer. Mehr als Schadensbegrenzung habe Merkel nicht geschafft. "Das liegt auch an ihrer schwindenden Glaubwürdigkeit als Klimakanzlerin. Die Maske fällt, und zum Vorschein kommt die Kohle-Kanzlerin." Bei Oxfam hieß es, Merkels großes Versäumnis sei, dass die Abschlusserklärung "insgesamt keinen neuen Schwung für deutlich mehr konkreten Klimaschutz erkennen lässt". Und das, obwohl bekannt sei, dass die Selbstverpflichtungen von Paris nicht ausreichten, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Auch Oxfam kritisiert, dass die Kanzlerin den Gipfel nicht dafür genutzt habe, den Ausstieg aus der schädlichen Kohlekraft in Aussicht zu stellen. Anders ließen sich aber die Ziele des Pariser Abkommens zur Abwendung eines katastrophalen Klimawandels nicht erfüllen.

Stattdessen enthält die Abschlusserklärung ein kräftiges Bekenntnis der USA zur Nutzung fossiler Brennstoffe. Sie erklären, "dass sie danach streben werden, eng mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten, um ihnen dabei zu helfen, auf fossile Brennstoffe zuzugreifen und sie sauberer und effizienter zu nutzen". Was sich ein wenig kompliziert liest, ist nichts anderes als die Ankündigung der Amerikaner, Technologien zum Fracking oder zur unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid zu exportieren.

Immerhin, die Staats- und Regierungschefs der "übrigen G-20-Mitglieder" erklären das Abkommen von Paris für "unumkehrbar". Sie "bekräftigen", wie wichtig es sei, dass die Industrieländer schwächere Entwicklungsländer bei Klimaschutz- und

Anpassungsmaßnahmen finanziell unterstützen. Wer die Übrigen sind und wer was zahlt, das soll dann im Dezember in Paris geklärt werden.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: