Nahost:Unterirdische Operation

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Links Libanon, rechts Israel, dazwischen der Grenzwall: In der Nähe des Dorfs Kfar Kila macht sich die israelische Armee daran, den Boden zu untersuchen. (Foto: Ali Dia/AFP)

Die israelische Armee hat eine Militäraktion gestartet, um Tunnel zwischen Israel und Libanon zu zerstören. Sie vermutet die Hisbollah dahinter.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Israelischen Bewohnern entlang der Grenze zu Libanon fielen ungewöhnliche Geräusche aus dem Untergrund auf. Vor vier Jahren ging die Armee erstmals diesen Hinweisen nach, vor eineinhalb Jahren wurde eine Task Force eingerichtet. Am Dienstag startete dann in den frühen Morgenstunden die Militäroperation "Nördliches Schild". Nach Angaben von Armeesprecher Jonathan Conricus gibt es "eine Reihe von Tunneln", deren Bau die schiitische Hisbollah-Miliz vom Süden Libanons aus vorangetrieben habe. Sie seien über eine längere Strecke entlang der Grenze verteilt, genauere Angaben wollte er "noch nicht" machen.

Zu Mittag wurden die ersten Bilder veröffentlicht: Sie zeigen einen Tunnel bei Kfar Kila, der laut Conricus 40 Meter auf israelisches Territorium bei Metula gereicht hat. Der etwa 200 Meter lange unterirdische Gang sei je zwei Meter hoch und breit sowie mit Elektrizität, Sauerstoffversorgung und Kommunikationskanälen ausgestattet. Der Eingang soll sich auf libanesischer Seite in einem Wohnhaus befinden. Nach Einschätzung der Armee sollten die Tunnel der Hisbollah-Eliteeinheit Radwan ermöglichen, nach Israel einzudringen. Da sie noch nicht voll einsatzbereit gewesen seien, habe "noch keine unmittelbare Gefahr" bestanden. Das israelische Militär will die Gänge zerstören. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu, der derzeit auch Verteidigungsminister ist, erklärte nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts am Abend, die Tunnel seien Teil einer größeren iranischen Operation in der Region. Die israelische Militäroperation werde "so lange dauern, wie notwendig". Generalstabschef Gadi Eisenkot ergänzte, er gehe von mehreren Wochen aus. Die Armee betont, dass alle Operationen nur auf israelischem Territorium durchgeführt werden. Allerdings wurden die Truppen im Norden des Landes verstärkt und in Alarmbereitschaft versetzt. Ein Teil der Reservisten wurde einberufen. Israel übermittelte der libanesischen Armee und der UN-Mission Unfil eine Botschaft, wonach jeder, der die Grenze überschreite, sich in Lebensgefahr begebe. Auch die libanesische Armee rief Alarmbereitschaft aus. Eine Sprecherin der UN-Mission erklärte am Dienstag, die Situation bleibe ruhig. Unifil arbeite mit allen zusammen, um die Stabilität an der Grenze zu erhalten. Seit 1978 besteht die UN-Mission, die Zahl der Soldaten wurde nach dem Ende des Libanonkriegs 2006 auf mehr als 10 000 Soldaten aufgestockt. Die nach dem Libanonkrieg verabschiedete UN-Resolution 1701 sieht vor, dass keine paramilitärischen Truppen - einschließlich der Hisbollah - südlich des Flusses Litani in Libanon verbleiben dürfen. Libanon hat wiederholt eine Verletzung seines Luftraums durch Israel kritisiert.

In den vergangenen Jahren baute Israel zum Schutz vor Angriffen der Hisbollah einen bis zu neun Meter hohen Grenzzaun. Teile davon sind in der Nähe von Metula und Kfar Kila, wo jetzt der Tunnel entdeckt wurde, bereits zu sehen. Die Grenzanlagen sollen in zwei Jahren einen Wall von 130 Kilometern Länge bilden.

Der Einsatz begann kurz nach einem Treffen zwischen Netanjahu und Pompeo

Die Militäroperation "Nördliches Schild" begann nur wenige Stunden nach einem Treffen zwischen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und US-Verteidigungsminister Mike Pompeo in Brüssel. Netanjahu hatte sich der Unterstützung der USA versichert. Mit dieser Operation verlagert sich Israels Kampf gegen Iran von Syrien nach Libanon. In den vergangenen Jahren hatte die israelische Luftwaffe Stützpunkte Irans und der mit Teheran verbündeten Hisbollah-Miliz auf syrischem Gebiet bombardiert. Damit will Israel verhindern, dass sich Iraner und Hisbollah-Kämpfer in Syrien festsetzen können.

Die an der Grenze zu Libanon begonnene Aktion wurde als Militäroperation mit einem eigenen Namen gestartet, was zuletzt beim Gazakrieg 2014 der Fall war. Für die Zerstörung von Tunneln an der Gazagrenze gab es bisher keine eigene Militäroperation. Das nährt Befürchtungen, dass sich daraus ein größerer militärischer Konflikt entwickeln könnte. Wie aus Regierungskreisen verlautete, soll die mögliche Eskalation mit der Hisbollah ein entscheidender Grund dafür gewesen sein, dass die Armee sich vor zweieinhalb Wochen gegen einen Militäreinsatz im Gazakrieg gestellt hat - um einen drohenden Zwei-Fronten-Krieg abzuwenden. Nach Einschätzung israelischer Militärexperten verfügt die Hisbollah über etwa 100 000 Raketen. In den vergangenen Jahren hatte die schiitische Miliz ihr Arsenal aufrüsten können.

Vergangenen Freitag veröffentlichte die Hisbollah ein Video, das Satellitenaufnahmen und präzise Karteninformationen über strategische Ziele in Israel enthielt. Verbunden damit war auch eine Warnung mit hebräischen Untertiteln: "Wenn ihr uns angreift, werdet ihr es bedauern!" Das Video, das auch Kampfszenen zeigte, wurde gepostet, nachdem mutmaßlich israelische Jets einen Angriff auf Ziele Irans und der Hisbollah in Syrien geflogen hatten.

Aber es gibt Stimmen in der Armee, die von einer PR-Aktion sprechen, um der Kritik wegen Gaza zu kontern. Die Berichte über die Hisbollah-Aktivitäten haben jedenfalls jene über die nunmehr dritte Empfehlung der Polizei verdrängt, Netanjahu wegen Korruption anzuklagen. Dass das ein Grund für den Start der Operation gewesen sei, stritt Netanjahu ab.

© SZ vom 05.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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