Nahost:Überraschung im Weißen Haus

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Trump verkündet: Serbien ver­legt seine Botschaft in Israel nach Jerusalem. Abgesprochen was das wohl nicht.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Irritiert: Serbiens Präsident Aleksandar Vučić in Washington. (Foto: Brendan Smialowski /afp)

In seinem neuesten außenpolitischen Vorstoß hat US-Präsident Donald Trump zwei Konfliktgebiete miteinander verbunden, die bislang allein schon kompliziert genug waren: den Balkan und den Nahen Osten. Als er im Weißen Haus flankiert vom serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und dem kosovarischen Ministerpräsidenten Avdullah Hoti auftrat, hatte er gleich doppelt "Historisches" zu verkünden: Zum einen ging es um das in Washington unterzeichnete Abkommen zur wirtschaftlichen Normalisierung, das die beiden verfeindeten Länder näher zusammenbringen soll. Zum anderen konnte er einen völlig überraschenden diplomatischen Beifang vermelden - nämlich, dass Serbien seine Botschaft in Israel nach Jerusalem verlegen will und Kosovo und Israel diplomatische Beziehungen aufnehmen. Auch die Kosovo-Botschaft soll in Jerusalem sein. "Noch ein weiterer großer Tag für den Frieden in Nahost", twitterte Trump hinterher als Bilanz seines Balkan-Gipfels.

Vučić und Hoti waren für zwei Tage nach Washington geladen worden. Das von ihnen unterzeichnete Wirtschaftsabkommen darf als Schritt zur Annäherung verstanden werden, ist aber weit entfernt vom Ziel der gegenseitigen Anerkennung. An einem solchen Ausgleich zwischen Serbien und seiner früheren Provinz Kosovo, die sich nach einem blutigen Krieg Ende der Neunziger Jahre losgesagt und 2008 seine Unabhängigkeit erklärt hatte, arbeitet die Europäische Union seit vielen Jahren. Die USA hatten erst unlängst das Thema an sich gezogen mit dem offenkundigen Ziel, Trump im Wahlkampf Optionen für außenpolitische Erfolge zu schaffen.

Bisher haben nur Guatemala und die USA Botschaften in Jerusalem

Ein Zeichen der Einigkeit zwischen Belgrad und Pristina hat Trump nun zumindest auf dem Umweg über Jerusalem erreicht, wo künftig beide Länder ihre Botschaft haben sollen. Die meisten Staaten halten ihre diplomatischen Vertretungen in Tel Aviv, weil sie Jerusalem als israelischen Hauptstadt nicht anerkennen wollen, solange der Konflikt mit den Palästinensern nicht gelöst ist, die Ostjerusalem als Hauptstadt ihres zukünftigen Staats beanspruchen. Unter Trump hatten die USA jedoch zur Freude der israelischen Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu schon 2018 ihre Botschaft nach Jerusalem verlegt.

Bislang ist nur Guatemala diesem Beispiel gefolgt, Serbien und Kosovo wären also die Staaten Nummer drei und vier. Kein Wunder also, dass neben Trump auch Netanjahu diese Ankündigung überschwänglich begrüßte. Er stellte sie in einen Zusammenhang mit der jüngst vereinbarten Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten. "Der Kreis des Friedens und der Anerkennung Israels wird größer und wird noch weitere Staaten einbeziehen", erklärte er. Besonders hob er dabei auf Kosovo ab, dass nach seinen Worten "als erstes mehrheitlich muslimisches Land eine Botschaft in Jerusalem eröffnen" werde. Zugleich bedankte er sich bei seinem "Freund Aleksandar Vučić" aus Serbien.

Der serbische Präsident wirkt allerdings mindestens überrumpelt von dieser Entscheidung. Auf einem inzwischen millionenfach geklickten Video aus dem Weißen Haus ist zu sehen, wie Vučić irritiert in seinen Papieren blättert, nachdem Trump die Botschaftsverlegung verkündet hat. Vučić, der Serbien in die Europäische Union führen will, weiß, dass er damit die EU-Linie konterkariert. Er ist allerdings auch bekannt für seine Pendelpolitik, die sich mal enger an Brüssel, mal an Washington, Moskau oder Peking anlehnt. Eine Hintertür ist ihm zudem noch offen geblieben. Denn zunächst will Serbien in Jerusalem nur eine Handelsvertretung eröffnen. Die Botschaft soll erst Mitte nächsten Jahres folgen. Bis dahin könnte Trump aus dem Amt gewählt worden sein und Vučić könnte mit Verweis auf Widerstand aus der EU einen Rückzieher machen.

Kosovo hatte sich zuvor bereits seit Jahren um eine Anerkennung durch Israel bemüht. Offiziell war dies von der Regierung in Jerusalem mit Verweis auf die guten Beziehungen zu Serbien abgelehnt worden. Doch im Hintergrund dürfte Israel auch gefürchtet haben, mit der Anerkennung des abtrünnigen Kosovos einen Präzedenzfall zu schaffen, auf den sich andere Staaten bei einer Anerkennung Palästinas berufen könnten.

© SZ vom 07.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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