Nahost:Israel will Entschädigung von arabischen Ländern

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Es geht um 250 Milliarden Dollar. So viel soll wert sein, was vertriebene Juden verloren.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Wenn Palästinenser auf ihre Vertreibung im Zuge der Staatsgründung Israels 1948 verweisen, begegnen sie häufig folgender Argumentation: Auch Juden wurden nach der Unabhängigkeitserklärung Israels aus arabischen Staaten vertrieben, auch sie mussten Häuser und Vermögen zurücklassen. Außerdem hätten die Palästinenser damals, wie von den UN in ihrem Teilungsplan für Palästina 1947 vorgeschlagen, einen eigenen Staat haben können, den aber die arabischen Staaten abgelehnt hätten. Stattdessen wurde Israel gleich nach der Staatsgründung angegriffen - und häufig Juden, die in arabischen Staaten lebten.

Israels Regierung hat in den vergangenen 18 Monaten den Gesamtwert zurückgelassener Vermögen - vor allem Immobilien - in acht Ländern zu eruieren versucht. In das Unterfangen waren auch nicht genannte internationale Wirtschaftsprüfer involviert. Gemeinsam ist man nun auf einen Gesamtwert von 250 Milliarden Dollar gekommen. Auf diese Summe wird geschätzt, was Juden in Tunesien, Libyen, Marokko, Syrien, Ägypten, Jemen, Iran und im Irak zurückließen. Für Tunesien und Libyen liegen bereits Detailberechnungen vor. Bei Tunesien geht man von 35 Milliarden Dollar aus, für Libyen sind 15 Milliarden Dollar angesetzt. Diese Summen will Israel nun laut einem Bericht des Senders Hadashot von den acht arabischen Staaten einfordern. Demnach werden derzeit Kompensationsansprüche vorbereitet.

Die für die Koordination verantwortliche Ministerin für soziale Gleichstellung, Gila Gamliel, erklärte: "Die Zeit ist gekommen, die historische Ungerechtigkeit nach Pogromen gegen Juden in sieben arabischen Ländern und Iran zu korrigieren. Es ist auch an der Zeit, Hunderttausenden von Juden, die ihr Vermögen verloren haben, zurückzugeben, was ihnen rechtmäßig gehört." Laut dem Bericht will Israel als erstes Ansprüche in Tunesien und Libyen anmelden. Wie, das blieb offen.

Laut der Organisation "Gerechtigkeit für Juden aus arabischen Ländern" wurden rund 856 000 Juden aus zehn arabischen Staaten vertrieben, oder sie flüchteten in andere Länder nach Israels Staatsgründung 1948 und in den Folgejahren, in denen ein Krieg tobte.

Anlass für die Berechnungen war Trumps Friedensplan. Doch der wird nicht vorgelegt

Diese Zahl wird genauso diskutiert wie jene über die von Vertreibung betroffener Palästinenser. Der israelische Historiker Benny Morris, der intensiv zu dem Thema geforscht hat, geht von 700 000 aus. Auch darüber, ob die Palästinenser nun geflohen sind, auf Aufforderung ihrer arabischen Führer ihre Häuser verlassen haben, freiwillig gegangen sind oder dazu gezwungen wurden, gibt es seit Jahren Debatten - genauso über die Gründe der Juden, ihr Heim in arabischen Ländern zu verlassen.

Die Palästinenser fordern seither ein Recht auf Rückkehr in ihre ehemaligen Häuser in Israel, die allerdings zum Teil gar nicht mehr existieren. Der Flüchtlingsstatus gilt seit mehreren Generationen auch für ihre Nachkommen, das sind inzwischen rund fünf Millionen Palästinenser. Der Anteil der Flüchtlinge im Westjordanland beträgt 26 Prozent, im Gazastreifen sogar 66 Prozent. Ein Großteil von ihnen wird von der UN-Organisation UNRWA versorgt, die eigentlich nur für eine kurze Zeit existieren sollte.

Ein Rückkehrrecht war auch die zentrale Forderung der am 30. März 2018 begonnenen Kundgebung im Gazastreifen, die seither jede Woche mit Protesten an der Grenze fortgesetzt wird. Mehr als 240 Palästinenser und zwei israelische Soldaten wurden dabei bislang getötet.

Bisher war nicht einmal bekannt, dass Israel Schätzungen in arabischen Ländern anstellt. Allerdings existiert seit 2010 ein Gesetz, wonach jeglicher Friedensvertrag eine Entschädigung für die jüdische Gemeinschaft und für einzelne Juden enthalten muss.

Der Hauptgrund, warum diese Arbeit vor eineinhalb Jahren aufgenommen wurde, ist der schon mehrmals angekündigte Friedensplan für Israelis und Palästinenser, den US-Präsident Donald Trump vorlegen will. Am Sonntag verkündeten israelische Medien in Eilmeldungen unter Berufung auf Washingtoner Kreise, dass die Präsentation des Nahost-Friedensplans erneut um mehrere Monate verschoben werden soll. Auch Israels Premier Benjamin Netanjahu hat angesichts der bevorstehenden Wahl am 9. April darum gebeten. Er will im Wahlkampf nicht mit dem Thema konfrontiert sein.

Mit diesen Zahlen ist diese israelische Regierung jedenfalls für mögliche Friedensverhandlungen gewappnet. Die palästinensische Führung hatte bereits vor zehn Jahren ihrerseits Kompensationen von hundert Milliarden Dollar von Israel gefordert. Aber auch von palästinensischer Seite hieß es wiederholt, eigentlich sei das Rückkehrrecht nur Verhandlungsmasse.

© SZ vom 07.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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