Nahost:Geschlossene Gesellschaft

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Die gesundheitsgefährdende Verschmutzung eines Strandes am Mittelmeer wird zur Parabel auf die trostlose Lage im Nahen Osten: Was Israelis und Palästinenser einander seit Langem antun, fällt jeweils auf sie selbst zurück. Dabei wäre die Lösung eigentlich einfach: Kooperation statt Konfrontation.

Von Peter Münch

Schön ist es am Zikim Beach. Weißer Sand, sanfte Wellen, und erst weit hinter den Dünen sind die ersten Häuser zu sehen. In der schattigen Strandbar sitzen am Wochenende die Ausflügler aus Aschkelon und Aschdod, und sogar aus Tel Aviv kommen die Besucher, es sind ja nur 60 Kilometer zu fahren. Doch gerade jetzt, zu Beginn der israelischen Ferien und an den heißesten Tagen des Jahres, musste der Zikim Beach für Schwimmer gesperrt werden. Das Wasser ist gesundheitsgefährdend verschmutzt - und das hat etwas mit den Häusern am Horizont und vor allem mit dem furchtbar engen Horizont der politischen Akteure in Nahost zu tun.

Die Sperrung des Zikim Beach kann als Parabel dienen für die Konfliktmechanismen zwischen Israelis und Palästinensern. Denn die Verseuchung des israelischen Strands kommt mit besten Grüßen aus dem nur wenige Kilometer entfernten Gazastreifen. Dort leiden die Menschen derzeit unter einer verheerenden Stromkrise, weil die Hamas-Führung kein Geld mehr hat, um das einzige Kraftwerk des Küstenstreifens mit Diesel zu befeuern. Israels Regierung hat die Lage noch verschärft durch die Drosselung der sonst üblichen Stromzufuhr nach Gaza - und das in diesem Fall nicht einmal aus eigenem Antrieb, sondern auf Forderung des Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas. Der will die feindlichen Brüder von der Hamas in die Knie zwingen, indem er ihnen im Gazastreifen den Saft abdreht.

Das Ergebnis ist, dass dort die zwei Millionen Bewohner unnötig leiden und auch das Abwasser mangels Strom nicht mehr gereinigt werden kann. Täglich fließen nun 110 000 Kubikmeter Schmutzwasser ins Meer - und das Meer hat keine Mauern und kennt keine Grenzen.

Es wäre gewiss nicht schwer, daraus zu lernen, dass am Ende alle leiden, wenn einer dem anderen eins auswischt, dass jedes Wurfgeschoss zum Bumerang werden kann und dass Hass am Ende immer auch selbstzerstörerisch ist. Das Gebiet ist einfach viel zu klein für diesen großen Konflikt. Gefordert wäre Kooperation statt Konfrontation, denn der gesperrte Zikim-Strand ist ja nur ein Hinweis darauf, dass sonst die Lebensgrundlagen aller bedroht sind. Ein anderes Beispiel ist das langsame Sterben, also Austrocknen, des Toten Meers, weil aus dem Jordan als einzigem Zufluss kein Wasser mehr ankommt. Das wird von Jordaniern und Syrern schon an den Zuflüssen abgezweigt, den Rest leiten die Israelis auf ihre Felder.

Doch in den sieben Jahrzehnten, die der Nahost-Konflikt nun schon tobt, hat dieser Geist der Kooperation nur ein einziges Mal für kurze Zeit geweht. Es waren die Neunzigerjahre, rund um die Osloer Friedensverträge, als es Hoffnung auf blühende Landschaften nicht nur zwischen Tel Aviv, Ramallah und Gaza gab, sondern weit darüber hinaus bis nach Damaskus, Beirut und Kairo. Immerhin aber kann seither jeder wissen, wie hoch die Friedensdividende wäre - für jeden Einzelnen, für die Wirtschaft, für die gemeinsame Umwelt.

Dass aus dem Aufbruch zum Frieden nichts geworden ist, hat viel mit Kleingeist zu tun, mit Radikalität und Verblendung, aber auch mit vermeintlich kleineren Sünden wie Ignoranz und Eskapismus. Wenn nun der Zikim Beach gesperrt ist, dann fahren die Leute aus Aschkelon und Aschdod eben weiter hoch zu den Stränden im Norden, und die Tel Aviver bleiben zu Hause oder steigen für die Ferien ins Flugzeug Richtung Adria oder Donaustrand. Das ist vielleicht bequemer, als sich den Problemen zu stellen. Aber immer nur für kurze Zeit.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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