Nachruf:Der Aristokrat

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George Herbert Walker Bush, der 41. Präsident der USA, ist tot. Er war der letzte Republikaner seiner Art - mit stillem Ehrgeiz erst dienend, später dann regierend.

Von Stefan Kornelius

Als Bill Clinton am 20. Januar 1993 nach seiner Vereidigung an seinem neuen Schreibtisch Platz nahm, fand er einen Brief vor sich liegen. Die Umzugsleute hatten Resolute Desk, den schweren Eichentisch, gefertigt 1879 aus den Schiffsplanken eines Polarschiffes, wieder in das Oval Office gebracht. Und dort hatte George Bush einen Brief deponiert. "Lieber Bill", stand da, "als ich gerade in dieses Büro gelaufen bin, habe ich dasselbe Erstaunen und denselben Respekt verspürt wie vor vier Jahren." Weiter unten kommt dann ein Satz, der alles über George Bush sagt und noch viel mehr über seine Zeit, die gerade so unwiederbringlich zerstört zu sein scheint: "Du wirst unser Präsident sein, wenn Du diese Notiz liest. Ich wünsche Dir alles Gute. ... Dein Erfolg ist nun der Erfolg unseres Landes. Ich drücke Dir ganz schwer die Daumen. Viel Glück." Bill Clinton hat jetzt an diesen Brief erinnert, am Morgen nachdem George Bush gestorben war; am Morgen, an dem Donald Trump "aus Respekt vor dem Toten" auf eine Pressekonferenz verzichtet hat; am Morgen, an dem Amerika innehalten und sich fragen konnte, wie weit es mit dem Land gekommen ist. Unser Präsident - George Bush hatte das Wörtchen "unser" unterstrichen, als verfügte er über prophetische Gaben. Unser Land und unser Präsident - das gibt es heute nicht mehr in Amerika. George Herbert Walker Bush war der letzte Yankee im Weißen Haus. Vielleicht war er auch der letzte Yankee-Republikaner, ehe die Partei ihr Beuteschema änderte und die reichen Söhne der Neuengland-Aristokratie den Demokraten überließ. Ganz bestimmt aber war George H.W. Bush der letzte amerikanische Präsident, der im Zweiten Weltkrieg als Soldat gekämpft und den Kalten Krieg ausgefochten hat - er war der letzte wirklich transatlantische Präsident. Bush organisierte die Nachhut einer inzwischen verflossenen Epoche. Und er hatte einen Sohn, der als Präsident die nächste Epoche begründete, die in Donald Trump einen kaum zu steigernden Höhepunkt erlebt.

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