Nachruf auf Henning Voscherau:Ein leiser Modernisierer

Lesezeit: 2 min

Henning Voscherau, Erster Bürgermeister von 1988 bis 1997. (Foto: Imago)

Der frühere Erste Bürgermeister von Hamburg ist tot. Der Jurist Voscherau galt als besonnener Stadtmanager. Mehrmals hat der Sozialdemokrat klare Kante bewiesen - auch und gerade dann, als es bei ihm politisch um alles oder nichts ging.

Von Jens Schneider

Im Mai 1997 sprach Henning Voscherau zum ersten Mal in großen Zügen über die "Hafen-City". Im nüchternen Hamburg brachen nicht alle in Euphorie aus, als der Sozialdemokrat und langjährige Bürgermeister seine Stadt zur Elbe hin öffnen und neue Quartiere erschließen wollte. Der Hafen sollte das wirtschaftliche Herz Hamburgs bleiben, aber auch zu einem Teil der Stadt werden, in dem gelebt und gewohnt wird. Einige Monate später gab Voscherau nach einem bitteren Wahlergebnis das Amt als Regierungschef auf. Aber die Idee der "Hafen-City" entwickelte sich, neue attraktive Viertel entstanden an der Elbe. Voscherau nahm es später gern an, dass man ihn später den "Vater der Hafen-City" nannte.

Mehr als neun Jahre lang war Voscherau, der jetzt im Alter von 75 Jahren in seiner Heimatstadt gestorben ist, Hamburgs Erster Bürgermeister, von 1988 bis 1997. Sein Stil entsprach dabei ganz dem Bild, das die Hamburger gern von einem Hanseaten haben, vor allem vom ersten Mann im Rathaus. Voscherau trat meist kühl auf, zurückgenommen und überlegt.

Dabei trieb er weitere zentrale Wirtschaftsprojekte voran, es waren Jahre des Umbruchs und der Modernisierung, oft gegen Widerstände, ökologische Bedenken fand er hinderlich. Für viele Hamburger verkörperte der promovierte Jurist lange das Idealbild eines Stadtoberhaupts an der Elbe, wobei zu ihm auch eine leise Heiterkeit und ein verschmitztes Lächeln gehörten, ein Sinn für Komik. Voscherau sagte, dass man "als Großstadtbürgermeister Fleiß, Härte und Präzision" brauche. Manchmal gehörten Schärfe und klare Kante dazu - was er auch brauchte, um die Kräfte in der zunehmend unruhigen Hamburger SPD in seiner Amtszeit austarieren zu können. "Politik ohne Taktik ist wie Suppe ohne Salz", sagte er. Typisch war die Art seines Abschieds aus dem Amt. Als er nach vorherigen Wahlerfolgen bei der Bürgerschaftswahl 1997 starke Einbußen hinnehmen musste, zog er sich wie angekündigt zurück. Er hatte die Wahl gewonnen, aber vorher eine Schmerzgrenze gezogen. Weil sein Ergebnis darunter lag, gab er das Amt ab, bitter enttäuscht, wie er sagte. Eine Koalition mit den Grünen sei für ihn unvorstellbar, erklärte er den Hamburgern - und blieb rigoros: "Ich mache nicht jeden Quatsch mit." Und arbeitete fortan an wieder als Notar. "Ein Hanseat gibt sein Wort und zwar mündlich oder per Handschlag - und er hält es auch", sagte er einmal. So wollte er sein, auch in der Niederlage. Der Verzicht auf das Führungsamt hat ihn geschmerzt. Es gab später Gedankenspiele, ihn zurückzuholen, wenn die Hamburger SPD mal wieder in schwieriges Fahrwasser geraten war. Oft holte die Partei seinen Rat ein. Voscherau fühlte sich der SPD aus Tradition sehr verbunden; er nannte sich selbst einen "geborenen Sozi", schon seine Großeltern und Eltern waren aktive Sozialdemokraten.

Der Sohn eines Schauspielers hatte nach dem Abitur Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg studiert und promovierte 1969. Von 1974 bis 2011 war er - mit Unterbrechung während seiner Zeit als Erster Bürgermeister - als Notar tätig. Nachdem er wegen der gesetzlichen Altersgrenze das Notaramt aufgeben musste, war Voscherau als Rechtsanwalt tätig. Er hatte mit seiner Frau Annerose, einer Apothekerin, drei Kinder.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat den verstorbenen Bürgermeister als "besonnenen Streiter für sozialen Ausgleich" gewürdigt. Voscheraus Einsatz habe immer dem Gemeinwohl gegolten, sagtet Gabriel. In ihm verliere Hamburg einen ehemaligen Ersten Bürgermeister, der für seine Stadt gelebt habe. "Er hat sein politisches Wirken seiner Heimatstadt gewidmet, seine Tugenden, sein Fleiß und seine auf das Detail bedachte Arbeitsweise haben zum heutigen Wohlstand und der Modernität Hamburgs entscheidend beigetragen."

Der heutige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz erinnerte an seinen Parteifreund als einen ernsthaften Stadtmanager und sorgenden Landesvater. Er nannte Voscherau einen Wertkonservativen und einen Sozialdemokraten, der ein charmanter Gastgeber und ideenreicher, geschliffen formulierender Intellektueller war.

© SZ vom 25.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: