Nach Vorschlag der SPD:Auch Merkel für höhere Löhne

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Die Kanzlerin sagte, in Branchen, in denen das Geschäft gut laufe, müsse über entsprechende Schritte nachgedacht werden. Die Arbeitgeber warnen hingegen vor überzogenen Ansprüchen.

Nina Bovensiepen und Jens Schneider

In den vergangenen Jahren hatten sich führende Politiker aus der Diskussion über Tarifabschlüsse weitgehend herausgehalten. Angesichts der guten Wirtschaftsdaten hatten sich der SPD-Vorsitzende Kurt Beck und Vizekanzler Franz Müntefering für höhere Löhne stark gemacht.

Am Montag sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg zur Position der Kanzlerin: "Wenn es Branchen gibt, die einen richtigen Boom erleben, es Betriebe gibt, die gesund und stark sind, dann muss man auch darüber nachdenken."

Es sei selbstverständlich, dass Arbeitnehmer an der Entwicklung teilhaben sollten, wenn es die ökonomische Substanz von Branchen und Betrieben hergebe. Bei allen Lösungen müsse aber Rücksicht auf schwache Firmen oder Wirtschaftszweige genommen werden. Steg wies aber darauf hin, dass die Tarifparteien für Lohnabschlüsse zuständig seien. "Da sollte sich die Politik mit Empfehlungen zurückhalten", sagte er.

"Sache der Tarifparteien"

Merkel sei schon immer für mehr Flexibilität und Differenzierung nach Betrieben und Branchen eingetreten, sagte Steg. Daher müsse man auch bei Tarifabschlüssen sehr genau prüfen, "wer kann so etwas verkraften und wer kann so etwas nicht verkraften."

SPD-Chef Beck betonte, dass er mit seinen Äußerungen nicht in die Tarifautonomie habe eingreifen wollen. Er habe nur auf eine volkswirtschaftlich vernünftige Lösung hingewiesen. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte, er glaube nicht, dass der Aufschwung durch höhere Löhne abgewürgt werde. "Die Leute müssen was in der Tasche haben, um auch die Wirtschaft ankurbeln zu können", betonte Heil.

Kritik an der Lohndebatte kam von Unionspolitikern, Arbeitgebervertretern und Ökonomen. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) mahnte Zurückhaltung für die neuen Länder an. "Im Osten geht der Abbau von Arbeitslosigkeit vor Lohnsteigerungen", sagte Milbradt der Süddeutschen Zeitung.

CSU-Generalsekretär Markus Söder warnte: "Übertriebene Lohnforderungen nützen der Wirtschaft nichts.2 Deswegen rate er zur Mäßigung. Gerald Weiß, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der Union im Bundestag, forderte die Politiker zur Zurückhaltung auf. "Die Politik soll sich gefälligst raushalten", sagte Weiß. "Das ist Sache der Tarifparteien."

Auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte vor "überzogenen Lohnforderungen". Es sei zentrale Aufgabe der Tarifparteien, den Aufschwung zu unterstützen und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. "Die aktuell bessere konjunkturelle Entwicklung in Deutschland darf jetzt nicht durch überzogene Lohnerhöhungen gefährdet oder gar beendet werden", sagte Hundt.

Braun empfiehlt Gewinnprämien

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, warnte vor großen Lohnzuwächsen. Er sprach sich für die Zahlung von Gewinnprämien in erfolgreichen Betrieben aus. "Es ist richtig, Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen angemessen durch einmalige Gewinnprämien zu beteiligen", sagte er. "So halte ich es auch in meinem Unternehmen."

Prämien, die nur gezahlt würden, wenn wirklich Gewinne angefallen seien, würden die Firmen in Jahren mit schwächerer Auftragslage nicht unnötig belasten. Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Wolfgang Franz, kritisierte die politischen Forderungen als eine "massive Einmischung" in die Tarifautonomie.

Union und SPD teilten unterdessen mit, dass sie möglichst rasch Modelle für einen Investivlohn und eine stärkere Beteiligung der Mitarbeiter an Betrieben ausloten wollen. Ein baldiges Treffen der Kanzlerin mit Beck sei vorstellbar, sagte Sprecher Steg.

In Union und SPD wird aber über sehr unterschiedliche Ansätze für eine stärkere Arbeitnehmer-Beteiligung an Gewinn oder Kapital von Firmen debattiert. Zudem zeigen sich Wirtschaft, Ökonomen und Gewerkschaften skeptisch. IG-Metall-Chef Jürgen Peters nannte den Investivlohn einen "alten Ladenhüter". Arbeitnehmer müssten ein doppeltes Risiko tragen: Neben dem Risiko des Jobverlustes käme ein Kapitalrisiko hinzu.

© SZ vom 5.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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