Nach Treffen mit Experten:Spahn steuert um

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Der Gesundheitsminister will wohl eine umstrittene Neuregelung bei der Therapieplatzsuche für psychisch Kranke nun doch nicht umsetzen.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat offenbar seine Bereitschaft signalisiert, die umstrittene Neuregelung der Psychotherapie wieder aus seinem Gesetzentwurf zu streichen und zu verändern. Das berichten Teilnehmer eines Gesprächs zwischen Ärztevertretern, Psychotherapeuten, Krankenkassen und Spahn, das Ende vergangener Woche im Gesundheitsministerium stattfand. Die Runde sprach dort über einen Passus im geplanten Terminservice- und Versorgungsgesetz, der bestimmte "Vertragsärzte und psychologische Psychotherapeuten" für die "Behandlungssteuerung" von psychisch kranken Patienten verantwortlich machen sollte. Viele Therapeuten und Patienten hatten in diesem Vorschlag eine zusätzliche Hürde für Patienten gesehen. Schließlich müssten die Betroffenen dann zunächst mit einer Art Vorinstanz über ihre Probleme reden, bevor sie zum Therapeuten gehen dürften.

Gegen Spahns Vorschlag wendeten sich mehr als 200 000 Bürger. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Man habe sich nun mit Spahn verständigt, diese Regelung wieder zu streichen, berichten mehrere Teilnehmer. Stattdessen solle nun ein neuer Vorschlag erarbeitet werden. Danach solle zwar die Verteilung von Therapieplätzen an psychisch kranke Menschen reformiert werden, die Therapeuten sollen dabei aber mehr Verantwortung erhalten.

Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Frank Bergmann, war einer der Gesprächsteilnehmer. Er sagt: "Zweifel an der Notwendigkeit einer Strukturierung und Steuerung in diesem komplexen Versorgungssegment bestanden nicht". Die Runde sei "konstruktiv" gewesen. Aus dem Bundesgesundheitsministerium hieß es auf Anfrage, man kommentiere dieses vertrauliche Gespräch nicht.

Vorbilder für einen neuen Vorschlag könnten laut Bergmann Modellprojekte aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sein. Im Ruhrgebiet wird beispielsweise zurzeit ein neues System der Bezugsärzte und Bezugstherapeuten getestet. Sie sollen ihre Patienten schneller an andere Ärzte und Therapeuten vermitteln, indem sie regelmäßig miteinander in einem Ärztenetzwerk kommunizieren. Eine zentrale Koordinationsstelle unterstützt die Mediziner, solche Treffen zu organisieren. Dort tauschen sie sich dann nicht nur über ihre Patienten aus, sondern stoßen auch auf Angebote wie offene Gesprächsgruppen oder Online-Selbsthilfe, die sie ihren Patienten erst einmal empfehlen können. Der Alternativvorschlag könnte bis Mitte Februar vorliegen.

Mehr als 200 000 Bürger hatten bis Dezember eine Petition gegen Spahns Initiative unterzeichnet, in die Verteilung von Therapieplätzen einzugreifen. "Das ist eine Diskriminierung psychisch kranker Menschen und ein erster Schritt zur Abschaffung der freien Arztwahl", sagte Ariadne Sartorius aus dem Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten, die diese Petition im Namen mehrerer Berufsverbände gestartet hatte. Es entstand eine der längsten Unterschriftenlisten, die dem Bundestag je vorlag.

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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