Nach Massaker in Blacksburg:Der Präsident und die Pistolen

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Präsident George Bush und auch seine potentiellen Nachfolger ducken sich vor der US-Waffenlobby weg. Beide Parteien haben dafür gute Gründe - auch wenn diese sehr verschieden sind.

Reymer Klüver

Als oberster Trauerredner der Nation traf der Präsident zweifellos den richtigen Ton. Sein Herz sei von Schmerz schwer, sagte George W. Bush bei der Gedenkfeier für die Opfer des Massenmörders an der Virginia Tech University, und ganz Amerika leide mit. Doch spätere Journalistenfragen, ob nicht angesichts der Leichtigkeit, mit der ein Psychopath wie Cho Seung Hui Pistolen beschaffen konnte, über eine Verschärfung der Waffengesetze nachgedacht werden müsse, fertigte der Präsident kühl ab.

Auch die Frau und die Männer, die sich um seine Nachfolge bemühen, wollen die Debatte nicht führen. Spitzenleute der Republikaner wie Rudy Giuliani und John McCain lehnen Änderungen der Gesetze rundheraus ab. Die Favoriten der Demokraten, Hillary Clinton und Barack Obama, ziehen es vor, sich zur Sache gar nicht erst einzulassen.

New Yorks Bürgermeister (und möglicher unabhängiger Präsidentschaftsbewerber) Michael Bloomberg ist der einzige Politiker von Rang, der für mehr Kontrolle eintritt. Sonst aber schweigt die Politik. Anstatt über ein Ende des laxen Umgangs mit Waffen diskutiert man lieber über schärfere Sicherheitsvorkehrungen in Schulen und Hochschulen. Und das nicht ohne Grund. Amerikas Politik fürchtet die Macht der Waffenlobby.

Zweiter Verfassungssatz

Die pocht auf den zweiten Verfassungszusatz: das Recht eines jeden Amerikaners, Waffen zur Selbstverteidigung zu tragen. Nur stammt der aus der Ära von Pulverdampf und Musketen. Im digitalen Zeitalter, da ein Schnellfeuergewehr wie die AK-47 im Internet für gut 500 Dollar zu ordern ist, stellt sich die Lage zweifellos anders da. Doch die Debatte ist längst ideologisch überfrachtet.

Wer für schärfere Waffengesetze eintritt, zieht nicht einfach die naheliegende Konsequenz aus einer vor Blut triefenden Statistik: 14.000 Menschen werden in den USA Jahr für Jahr mit Schusswaffen ermordet, 2005 waren mehr als 400 Kinder darunter. Nein, wer einer besseren Kontrolle des Waffengeschäfts das Wort redet, will vielmehr den Menschen ihre Freiheit nehmen. So tönen die Gegner jeder Änderung, und das kann aberwitzige Konsequenzen haben. In Virginia beispielsweise lehnte der Kongress erst vor wenigen Wochen ein Waffenverbot für Kindertagesstätten ausdrücklich ab.

Beide Parteien versagen in dieser Frage. Doch die größeren Vorwürfe muss man den Demokraten machen, die traditionell eher für schärfere Waffengesetze eingetreten sind. Jetzt aber tun sie nichts. Aus einem einzigen Grund: Sie fürchten, sonst bei der Präsidentschaftswahl 2008 abgestraft zu werden, so wie im Jahr 2000, als sie Staaten wie Tennessee oder West Virginia verloren hatten - angeblich wegen der Waffenfrage.

Das Massaker von Blacksburg ist in den letzten Tagen vorschnell als Tragödie bezeichnet worden. Das ist irreführend. Die eigentliche Tragödie ist, dass Amerikas Politiker sich wegducken aus blankem Opportunismus und keine Konsequenzen aus der Katastrophe ziehen.

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