Nach Durchsuchung beim Magazin Cicero:Schily muss sich wegen Razzia verantworten

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Vertreter aller Parteien werfen dem Innenminister Angriff auf Pressefreiheit vor. Der SPD-Politiker hatte die Redaktionsräume und das Haus eines Journalisten durchsuchen lassen, um ein Informations-Leck im Bundeskriminalamt ausfindig zu machen, das ihm unterstellt ist.

Annette Ramelsberger

Innenminister Otto Schily (SPD) wird sich schon nächste Woche einer Sondersitzung des Innenausschusses stellen müssen - noch bevor der neue Bundestag zusammentritt. Über alle Parteigrenzen hinweg forderten die Fraktionen am Mittwoch, der Minister müsse wegen der umstrittenen Durchsuchung des Magazins Cicero, aber auch wegen seiner jüngsten Angriffe auf Journalisten Rede und Antwort stehen.

Schily hatte die Redaktion von Cicero und das Haus eines Journalisten durchsuchen lassen, um ein Informations-Leck im Bundeskriminalamt (BKA) ausfindig zu machen, das ihm unterstellt ist. Die Sondersitzung des Ausschusses wird vermutlich am 13. oder 14. Oktober anberaumt. Schily ließ über sein Ministerium mitteilen, er werde kommen.

Kritik auch aus den eigenen Reihen

Auch Parteifreunde wie die Vorsitzende des Innenausschusses, Cornelie Sonntag-Wolgast, und der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sehen erheblichen Diskussionsbedarf zu Schilys Ansichten über die Pressefreiheit. "Schily hat harte Attacken gegen die journalistische Freiheit geritten", sagt Sonntag-Wolgast, die jahrelang als Journalistin gearbeitet hat.

"Wir müssen ohne parteipolitische Scheuklappen darüber diskutieren, in wie weit Sicherheitsinteressen gegen die Freiheit der Medien in Stellung gebracht werden." Wiefelspütz betonte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung: "Es geht nicht an, dass Innenministerium und BKA ihr Leck nicht finden und dann am anderen Ende der Informationskette zupacken - bei den Journalisten." Diese seien angewiesen auf Informationen, man könne sie nicht zu Mittätern machen, nur weil sie Informationen in Empfang nähmen.

Der Journalist Bruno Schirra hatte für das Magazin Cicero bereits im April einen Bericht über den Terroristen Abu Musab al-Sarkawi geschrieben. Fünf Monate später, am 12. September dieses Jahres, wurden sein Haus und die Cicero-Redaktion durchsucht. Schirra hatte aus vertraulichen Akten des BKA zitiert. Das Innenministerium wollte nun herausfinden, wo das Leck im eigenen Hause klaffte. Gefunden wurden die Akten jedoch weder bei Cicero noch bei Schirra.

Schon am Dienstag hatte die FDP eine Sondersitzung gefordert, die PDS-Innenexpertin Petra Pau hält sogar einen Untersuchungsausschuss für möglich: Schily habe sich selbstherrlich über die Verfassung gestellt. Unions-Vizefraktionschef Wolfgang Bosbach sagte der SZ, es gebe erhöhten Erklärungsbedarf.

Die Umstände der Durchsuchung seien "mehr als fragwürdig". Es gehe nicht an, Redaktionen in Angst und Schrecken zu versetzen. "Als Verfassungsminister muss Schily die Verfassung verteidigen - darin ist die Pressefreiheit festgeschrieben. Sie wird nicht von Schily gewährt."

© SZ vom 06.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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