Nach dem Jamaika-Aus:Schulz stößt auf Bedenken in der SPD

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In Bundestagsfraktion und Parteiführung regt sich Skepsis: Der SPD-Chef habe sich bei seiner strikten Absage an eine große Koalition zu sehr auf Neuwahlen festgelegt.

Von Jan Bielicki und Christoph Hickmann, Berlin

In der SPD wächst nach der klaren Absage an eine große Koalition die Unruhe. In einer mehrstündigen Debatte äußerten am Montag in der SPD-Bundestagsfraktion mehrere Abgeordnete Skepsis gegenüber Neuwahlen und Sorgen angesichts eines möglichen weiteren Wahlkampfs. Auch in der engsten Parteiführung waren zuvor nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Bedenken gegen einen derart harten Ausschluss der großen Koalition laut geworden.

Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen in der Nacht zum Montag hatte der SPD-Parteivorstand einstimmig beschlossen, dass die Sozialdemokraten weiterhin nicht für ein Bündnis mit der Union zur Verfügung stehen. Zudem heißt es in dem Beschluss, man scheue Neuwahlen nicht. Damit setzt die SPD trotz der neuen Lage jene Linie fort, die sie am Wahlabend eingeschlagen hatte, als Parteichef Martin Schulz den Gang in die Opposition ankündigte. Mit seinem Appell an die Parteien, ihre Verantwortung wahrzunehmen, erhöhte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier allerdings den Druck auch auf die SPD, sich gesprächsbereit zu zeigen.

In der Sitzung der SPD-Fraktion wurde am Montagabend kritisiert, dass Parteichef Schulz die Option von Neuwahlen öffentlich zu stark nach vorn gerückt habe. Mehrere Abgeordnete empfanden die Festlegung des Parteivorstands als übereilt und vertraten die Meinung, man hätte zunächst Zeit gewinnen müssen. Fraktionschefin Andrea Nahles reagierte offenbar auch auf diese Kritik, als sie am Dienstagmorgen im ZDF eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung ins Spiel brachte.

Zudem gibt es nicht nur in der SPD-Fraktion, sondern auch an der Parteispitze offenbar Skepsis, was den harten Ausschluss der großen Koalition angeht. So soll Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in einer Sitzung der engsten Parteiführung am Montag entsprechende Bedenken angemeldet haben. Auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz soll mit der am Ende beschlossenen Formulierung nicht glücklich gewesen sein. Die SPD kommt in zwei Wochen zum Parteitag zusammen. Dort steht die Wiederwahl des Vorsitzenden an. Bislang einziger Bewerber ist Martin Schulz.

Schulz soll den Bundespräsidenten am Donnerstag zum Gespräch treffen. An Steinmeier liegt es jetzt auszuloten, ob und wie eine Regierungsbildung möglich sein könnte. Am Dienstagnachmittag empfing er die beiden Grünen-Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir. Später kam auch FDP-Chef Christian Lindner zu einer vertraulichen Unterredung mit dem Präsidenten in dessen Berliner Amtssitz. Die Liberalen hatten die Sondierungsgespräche über die Bildung einer Koalition mit Union und Grünen platzen lassen.

Wie am Vortag schon Steinmeier rief am Dienstag auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) die Parteien zu Kompromissbereitschaft auf. Für "mehrheitsfähige Kompromisse auch in Teilen vom eigenen Wahlprogramm abzurücken", sei "kein Umfallen", sagte er in der ersten regulären Sitzung des neuen Bundestags nach dessen Konstituierung: "Klar ist, dass regiert werden muss."

© SZ vom 22.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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