Nach Anschlag auf Thalys:Systematische Kontrollen

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Belgische Polizisten halten Wache auf dem Bahnsteig in Brüssel, von dem der Schnellzug Thalys abfährt. (Foto: Francois Lenoir/Reuters)

Europa debattiert schärfere Sicherheitsmaßnahmen auf Bahnreisen.

Von Christian Wernicke, Paris

Nach dem knapp vereitelten Terroranschlag auf einen Schnellzug zwischen Brüssel und Paris will Frankreich die Sicherheitsmaßnahmen auf internationalen Bahnreisen verschärfen. Zu diesem Zweck lädt Innenminister Bernard Cazeneuve seine Amtskollegen aus acht Nachbarländern, darunter Deutschland, am Samstag zu einer Krisenkonferenz nach Paris ein. In Frankreich wurden zudem Forderungen von rechten Politikern laut, schärfer gegen Terrorverdächtige vorzugehen.

Innenminister Cazeneuve erklärte am Mittwoch, seine Regierung suche nach Wegen, Reisende auf europäischen Schnellstrecken "systematischer und koordinierter" zu kontrollieren. Am Freitag war der mutmaßliche Attentäter, der Marokkaner Ayoub el-Khazzani, in Brüssel unbehelligt in den Thalys eingestiegen - samt Rucksack, in dem sich unter anderem ein Maschinengewehr und eine Pistole verbargen. Inzwischen verschärfte Belgien seine Kontrollen auf Bahnhöfen. Cazeneuve schwebt vor, mit seinen europäischen Kollegen vermehrte Passkontrollen sowie häufigere Gepäckprüfungen zu vereinbaren. Das, so Paris, sei problemlos mit den Bestimmungen des Schengen-Abkommens vereinbar. Zudem möchte die französische Regierung vermehrt multinationale Polizeiteams durch die Zugwaggons schicken.

Cazeneuve verwahrte sich am Mittwoch gegen Forderungen, allein auf der Grundlage von Informationen, die der Inlandsgeheimdienst DGSI gesammelt habe, Verdächtige mit Kontakten ins islamistische Milieu "präventiv" einzusperren. Dies hatte etwa der konservative Abgeordnete Eric Ciotti gefordert, der als Vertrauter von Nicolas Sarkozy gilt, dem Parteichef der oppositionellen Republikaner. Kritiker spotteten, Ciotti wolle in Frankreich "ein neues Guantanamo" errichten. Marine Le Pen, die Vorsitzende des rechtsextremen Front National, hatte zudem verlangt, die Regierung müsse alle Ausländer des Landes verweisen, über die der Geheimdienst einen Vermerk wegen potenzieller Gefährdung der Staatssicherheit ("Fiche S") angelegt habe. Einen solchen Vermerk gab es auch über el-Khazzani.

Aus Sicherheitskreisen verlautet, die DGSI habe mehr als 5000 Menschen per Fiche S erfasst. Die gespeicherten Vermerke zielen nicht nur auf Islamisten oder Terrorverdächtige, sondern auch etwa auf Hooligans oder gewalttätige Demonstranten. Die Datensätze werden auch an die EU-Partner übermittelt. 840 Verdächtige, unter ihnen 140 Nicht-Franzosen, sind registriert, weil sie als mutmaßliche Kämpfer aus Syrien und dem Irak zurückkehrten. Bei Personenkontrollen werden französische Polizisten per Datenabgleich angewiesen, registrierte Verdächtige aufmerksamer zu überprüfen. Mehrere Attentäter der vergangenen Monate - unter ihnen zwei Täter der Januar-Anschläge in Paris - waren per Fiche S erfasst. Dies schürte den Eindruck, die Sicherheitsbehörden würden zwar beobachten, aber nicht zugreifen. Ein Fiche S allein genügt jedoch nicht zur Festnahme, und jeder Haftbefehl muss auch in Frankreich richterlich genehmigt werden.

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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