Mordanschlag von Passau:Den Neonazis auf die Finger schauen

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Da die Polizei nach dem Passauer Anschlag weiter im Dunkeln tappt, wird die Sonderkommission vergrößert. Seehofer sieht "eine neue Dimension rechter Gewalt".

Innenexperten der großen Koalition haben vor dem Hintergrund des Passauer Messerattentats auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl Defizite bei der Beobachtung der NPD und ihres Umfelds beklagt. Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU): "Das Internet ist längst zur Radikalisierungs-Plattform der rechten Szene geworden. Hier müssen die Sicherheitsbehörden künftig noch viel genauer hinschauen." Notwendig seien etwa regelmäßige Internet-Streifen. Polizei und Verfassungsschutz müssten personell und technisch in die Lage versetzt werden, das zu leisten.

Das Hauptquartier der Polizei in Passau (Foto: Foto: dpa)

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD): "Die Verfassungsschutzämter müssen die rechte Szene noch genauer beobachten." Es gebe inzwischen bundesweit rund 170 freie Kameradschaften mit Tausenden Mitgliedern, die bandenmäßig organisiert seien.

Skepsis gegenüber NPD-Verbot

Zur aktuellen Debatte um ein erneutes NPD-Verbotsverfahren sagte Bosbach: "Die Politik sollte nicht den falschen Eindruck erwecken, ein NPD-Verbot sei die Wunderwaffe gegen den Rechtsextremismus." Das Verbrechen von Passau sei fürchterlich. Neue Argumente für ein NPD-Verbotsverfahren liefere dieser Einzelfall aber noch nicht.

Der rechtspolitische Sprecher der Union, Jürgen Gehb (CDU), sagte dem Blatt: "Es ist blanker Populismus, den Amoklauf eines Einzelnen für die politische Forderung nach einem NPD-Verbot auszunutzen." Diese verwirrten Schwerverbrecher gäbe es auch, wenn die NPD verboten wäre. Auch der FDP-Innenexperte Max Stadler lehnt ein neuen Anlauf in dieser Frage ab.

Seehofer: "Neue Dimension rechter Gewalt"

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sieht in dem vermutlich von einem Neonazi begangenen Attentat eine neue Dimension von rechtsextremistischer Gewalt. "Das ist ein Angriff auf unseren Rechtsstaat, das geht uns alle an", sagte Seehofer am Montagabend. Zuvor hatte er den schwer verletzten Polizeidirektor Mannichl im Passauer Klinikum besucht. Falls sich die bisherigen Ermittlungen bestätigten, müsse konsequent reagiert werden.

"Wir müssen Polizei und Justiz schützen, damit diese uns schützen können", sagte Seehofer und kündigte für den heutigen Dienstag eine Regierungserklärung im bayerischen Landtag an. Auch das Kabinett beschäftigt sich heute (Dienstag) mit dem Attentat auf den Passauer Polizeichef. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will seinen Kollegen im Ministerrat einen Bericht über die Ermittlungen abgeben.

Sonderkommission wird aufgestockt

Diese werden indes fortgesetzt. Die ermittelnde Sonderkommission der Polizei wurde dazu von ursprünglich 20 auf 50 Beamte aufgestockt. Bisher fehlt weiter jede Spur vom Täter, wie ein Polizeisprecher am Dienstagmorgen in Passau erklärte. Am Vortag waren zwei vorübergehend festgenommene Männer im Alter von 26 und 27 Jahren wieder freigelassen worden. Sie hatten mit dem Mordanschlag nichts zu tun.

Mannichl hatte eine Messerattacke vor seiner Haustür am Samstag nur knapp überlebt, befindet sich aber weiter auf dem Weg der Besserung.

Dieser Angriff stellt nach Darstellung des Berliner Politologen Richard Stöss eine völlig neue Qualität dar. Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Polizisten bei Demonstrationen habe es immer wieder mal gegeben. "Aber, dass mit einer Waffe ein Polizist, auch noch Zuhause, attackiert wird, das ist ungewöhnlich", sagte der an der Freien Universität lehrende Rechtsextremismus-Forscher der Berliner Zeitung.

Experte: "Bayern ist Hochburg der NPD"

Nach seinen Worten ist auch nicht mehr der Osten Deutschlands die Hochburg der Rechten. "Bayern hat inzwischen den größten Landesverband der NPD - nicht nur, weil die Mitgliederzahlen in Sachsen rückläufig sind." Gerade bei den Landtagswahlen in Bayern sei die Partei sehr aktiv gewesen.

Ideologische Unterschiede zwischen Rechtsextremen in Ost und West gebe es nicht, sagte Stöss. In einer Studie habe er nachgewiesen, dass die rechtsextremen Einstellungen in Bayern und Baden-Württemberg genauso stark und verbreitet seien wie im Osten. "Im Osten gab es aber noch nie eine so brutale Attacke."

© dpa/ddp-bay/mati - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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