Hrant Dink, der Herausgeber der armenischen Wochenzeitung Agos und bekannteste armenische Journalist der Türkei, ist am Freitag in Istanbul Opfer eines Mordanschlags geworden.
Der 53-Jährige wurde beim Verlassen seines Büros von einem Unbekannten auf der Straße erschossen. Der Attentäter gab mehrere Schüsse ab und flüchtete.
Wie der türkische Sender NTV berichtete, war Dink auf der Stelle tot. Die Tat geschah in einem belebten Geschäftsviertel.
Hunderte trauernde und wütende Menschen sammelten sich dort sofort. Augenzeugen beschrieben den Täter als jungen Mann. Die Polizei leitete eine Großfahndung ein.
Regierungschef Tayyip Erdogan sprach von einem ,,abscheulichen Attentat'', das gegen Frieden und Stabilität des Landes gerichtet sei.
Verurteilung wegen "Beleidigung des Türkentums"
Der in der Türkei geborene Hrant Dink war wegen seines Mutes als Publizist im Ausland mit vielen Preisen ausgezeichnet worden. 2006 hatte er in Hamburg den Henri-Nannen-Preis für Pressefreiheit erhalten.
Immer wieder trat er für die etwa 60.000 Armenier in der Türkei ein und sprach offen über die Massaker an den Armeniern in den Jahren 1915 und 1916. Von türkischen Nationalisten wurde er deshalb heftig angefeindet.
Dink erhielt viele Morddrohungen. ,,Ich werde nicht schweigen'', sagte er im vergangenen Juli, nachdem ihn ein Gericht in Istanbul zu sechs Monaten Haft verurteilt hatte - wegen ,,Beleidigung des Türkentums''. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, aber vom obersten Gericht bestätigt. Der Autor wollte sich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dagegen zur Wehr setzen.
Dink hatte auch den jüngst mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichneten Orhan Pamuk öffentlich verteidigt, als dieser ebenfalls wegen seiner Äußerungen über die Massaker an den Armeniern vor Gericht kam. Der Prozess gegen Pamuk wurde allerdings nach weltweitem Aufsehen eingestellt.
"Ich kämpfe für die Meinungsfreiheit"
Die Türkei will die Morde und Vertreibungen von mindestens einer Million Armeniern im Osmanischen Reich nicht als Völkermord bezeichnen lassen. ,,Ich kämpfe für die Meinungsfreiheit'', sagte Dink und wandte sich auch gegen das geplante französische Gesetz, das die Leugnung des Genozids unter Strafe stellen möchte.
Dink wollte lieber überzeugen statt strafen. Der Süddeutschen Zeitung sagte er einmal, wenn sich Türken und Armenier stritten, dann müssten sie immer bedenken, ,,dass sie vielleicht verwandt sind''. Er schrieb und sprach oft über Lebensgeschichten wie die der Türkin Fethiye Cetin, die entdeckte, dass ihre eigene Großmutter Armenierin war.
Dink wuchs in einem Istanbuler Waisenhaus auf und studierte Philosophie und Zoologie. Das Kinderheim, das er dann gemeinsam mit seiner Frau leitete, wurde von den Behörden unter einem Vorwand konfisziert, wie viele Gebäude der armenischen Kirche.
Da sei ihm erst bewusst geworden, ,,was es bedeutet, Armenier in der Türkei zu sein'', sagte Dink. Danach habe er beschlossen, für seine ,,Identität zu kämpfen''. Mit der von ihm gegründeten zweisprachigen Zeitung Agos wurde er zur unüberhörbaren Stimme der Armenier in der Türkei.