Monarchie in der Südsee:Tollhaus in Tonga - König verzichtet

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Das Königshaus in Tonga bot Vulkane als Atomendlager an - doch nun soll endlich das Volk herrschen. Der König ist lieber Playboy.

Wolfgang Jaschensky und Margit Kohl

Die Zeit beginnt in Tonga, sagen die Bewohner des Südseereiches. Das muss man wörtlich verstehen: Tonga liegt mit seinen 171 Inseln nahe an der Datumsgrenze. Zum Jahrtausendwechsel gingen Bilder von Tonga um die Welt, weil das Land als erstes im Jahr 2000 angekommen war.

George Tupou V., König von Tonga: Demokrat oder Playboy, der lieber Geschäftsmann als König sein will? (Foto: Foto: AP)

Abgesehen davon ist Tonga der Zeit nicht gerade voraus. Der Verkehr zwischen den Inseln ist mangels Transportmöglichkeiten ein Abenteuer, der Warenexport beschränkt sich weitgehend auf Vanille und Kürbisse - und die Macht im Land liegt in der Hand eines Königs, dessen feudale Herrschaft einzigartig in den Weiten des Pazifiks ist.

Zumindest die Tage der Monarchie sind gezählt: Der König von Tonga, George Tupou V., ließ drei Tage vor seiner offiziellen Inthronisierung bekanntgeben, die Führung des Landes künftig lieber Parlament und Regierung überlassen zu wollen. Für den Inselstaat würde damit eine neue Zeit beginnen.

Tonga ist zwar eine konstitutionelle Monarchie - besitzt also eine Verfassung -, doch bislang sichert diese dem König die Kontrolle über Parlament und Regierung. Sie stattet den Monarchen mit nahezu absoluter Macht aus. 10 der 14 Kabinettsmitglieder werden vom König auf Lebenszeit ernannt und nur neun der 32 Mitglieder des Parlaments werden vom Volk gewählt.

Ein Sprecher des Königs erklärte, dass George Tupou V. seine Macht freiwillig abgeben werde - doch auch die 119.000 Tongaer hatten Druck gemacht. Im November 2006, nur zwei Monate nach dem Tod seines Vaters, eskalierte eine Demonstration für mehr Demokratie. Es kam zu gewaltsamen Ausschreitungen, Plünderer zogen durch die Hauptstadt Nuku'alofa. Autos und Geschäfte brannten. Der König musste sich kurzfristig ins Ausland absetzen, während Truppen aus Australien und Neuseeland anrückten, um den Inselfrieden zu sichern.

Taxi aus London

Von George Tupou V. heißt es im Land, er sei ein Playboy, der lieber Geschäftsmann als König sein wolle und sich schon seit seiner Studienzeit in England und in der Schweiz mehr fürs Ausland als fürs eigene Volk interessiere. Zu offiziellen Anlässen trägt er gerne Militäruniform mit Säbel und Monokel, sonst verschanzt er sich am liebsten in seiner neoklassizistischen Villa, wo er sich ausgiebig seiner umfangreichen Zinnsoldatensammlung und seinen vielen Computerspielen widmet.

Über sein Inselreich lässt sich der König manchmal in einem schwarzen Londoner Taxi chauffieren, das er eigens aus England herbeischaffen ließ. Die Fenster haben Vorhänge, so können ihn seine Untergebenen nicht sehen. Auch er muss sie nicht sehen. Schließlich muss so ein Untertan mit umgerechnet etwa vier Euro am Tag über die Runden kommen.

Schillernder als Tupou V. war noch sein Vater Tupou IV. Er liebte übermäßigen Pomp und machte vor allem wegen seiner Leibesfülle von 230 Kilogramm von sich reden - als dickster König der Welt stand er sogar im Guiness-Buch.

Während seiner 41-jährigen Regentschaft führten die Royals das Land wie einen Selbstbedienungsladen und entwickelten Geschäftsideen, von denen mancher treue Untertan wohl wünschte, das Königshaus hätte sie an einem Sonntag ausgebrütet, dann wären ihnen wegen des Arbeitsverbotes am Sonntag wenigstens einige der absurdesten Eingebungen erspart geblieben.

Die halbe al-Qaida unter tongaischer Flagge

So bot man Industrienationen einen erloschenen Vulkan als Atomendlager an und wollte ohne Zustimmung des Volkes dessen Genpool an eine australische Biotech-Firma verschachern. Die Nähe des Inselreiches zum 10.000 Meter tiefen Tongagraben schien wie gemacht, jährlich vier Millionen Liter Giftmüll gegen ein entsprechendes Entgelt zu verklappen.

Soweit ist es nie gekommen, doch hatte man auch mit den verwirklichten Projekten kein glückliches Händchen. Für bis zu je 10.000 Dollar ließ das Königshaus Ende der achtziger Jahre 5000 Staatsbürgerschaften meist an Hongkong-Chinesen verhökern, die vor der Übernahme durch China eine neue Zuflucht suchten. Später war das Geld verschwunden, weil man auf einen amerikanischen Anlagehai reingefallen war. Dann verhökerte man gedankenlos Schiffslizenzen und wunderte sich, dass bald die halbe al-Qaida unter tongaischer Flagge über die Ozeane schipperte.

Wirtschaftlich wuchsen die Probleme. Als 2005 die Landeswährung Pa'anga rasant an Wert verloren hatte, und die Minister des Kabinetts sich zum Ausgleich eine 80-prozentige Gehaltserhöhung zusprochen hatten, des Weiteren aber nur die Adeligen und die königliche Familie großzügig bedachten, legten die Untertanen in einem siebenwöchigen Generalstreik das kleine Inselreich lahm. Damals versprach schon der alte, kranke König Reformen, zu denen es unter seiner Herrschaft nicht mehr kommen sollte.

Nun dankt sein Sohn ab, ein bisschen jedenfalls.

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