Mitangeklagte:Freunde, Helfer, Mitwisser

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Neben Beate Zschäpe stehen vier Männer als mutmaßliche Unterstützer der Terrorbande NSU vor Gericht.

Von Wiebke Ramm

Ohne Helfer hätte der NSU nicht so morden und rauben können, wie er es tat. Ein Blick auf die mutmaßlichen Unterstützer:

Der Helfer: Holger G., 43, ist der einzige Angeklagte, der jemals einen Prozesstag vergessen hat. Der Richter ließ ihn umgehend in einen Zug setzen. Holger G. wirkt häufig nicht ganz bei der Sache. Oft zappelt er auf der Anklagebank herum. Er neigt zur Spielsucht, nahm Drogen. Er hatte bis zuletzt Kontakt zu Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Er war williger Helfer seiner Freunde, überließ Böhnhardt seine Identität in Form von Führerschein und Pässen und fuhr regelmäßig mit den dreien in den Urlaub. Auch eine Waffe lieferte er ihnen. Da es nicht die Mordwaffe war, ist er lediglich wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Er hat vor allem Zschäpe belastet. Sie sei "gleichberechtigtes Mitglied" des Trios gewesen und "kein Typ, der sich unterordnet".

Der Funktionär: Ralf Wohlleben, 42, trägt mit Vorliebe Hemden in Beige- und Brauntönen. Der ehemalige NPD-Funktionär gibt sich als friedliebender Patriot - und wollte einen Demografen als Zeugen hören, der im Prozess vom "Volkstod" der Deutschen redet. Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hat er mindestens bis 2001 geholfen. Er soll ihre Unterstützung koordiniert und organisiert haben. Dass er Carsten S. beauftragt hat, die Mordwaffe zu besorgen, bestreitet er. Von den Verbrechen will er nichts gewusst haben. Wohlleben ist wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen angeklagt. Seit mehr als fünf Jahren sitzt er in U-Haft. Die Neonaziszene unterstützt ihn mit "Freiheit für Wolle"-T-Shirts und -Buttons. Seine Verteidigung bestand hauptsächlich in Versuchen, die Glaubwürdigkeit von Carsten S. zu erschüttern.

Der Aussteiger: Carsten S., 37, war erst fasziniert von braunen Uniformen, dann verliebt in Uwe Böhnhardt; schließlich beschaffte er den mutmaßlichen NSU-Terroristen die Mordwaffe. Den Auftrag erhielt er nach eigenen Angaben von Ralf Wohlleben. Mit seinem Coming-out stieg Carsten S. aus der Neonazi-Szene aus, zog nach Düsseldorf, studierte Sozialpädagogik und arbeitete bei der Aids-Hilfe. Seine Reue wirkt ehrlich. Carsten S. hat vor Gericht geweint und gelitten - vor allem aber hat er an der Aufklärung mitgewirkt. Erst durch seine Aussage ist bekannt geworden, dass es noch einen dritten - nicht angeklagten - Bombenanschlag des NSU gab, mit einer präparierten Taschenlampe in einer Nürnberger Kneipe. Da S. erst 20 Jahre alt war, als er dem NSU die Waffe brachte, wird er wohl nach Jugendstrafrecht verurteilt. Die Anklage lautet auf Beihilfe zum Mord in neun Fällen.

Der Neonazi: Andre E., 37, hat im Prozess bis zuletzt geschwiegen. Aussagekräftig ist das Tattoo auf seinem Bauch: "Die Jew Die", "Stirb, Jude, stirb". Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt richtete er im Wohnzimmer eine Art Altar ein - mit selbstgemalten Porträts und dem Schriftzug "Unvergessen". Statt Weihnachten feiert er in Nazi-Tradition das angeblich germanische Julfest. Beate Zschäpe dankt ihm seine Treue mit der Behauptung, er habe zwar von den Raubüberfällen, nicht aber von den Morden und Bombenanschlägen gewusst. Angeklagt ist er wegen Unterstützung des NSU. Bis zuletzt waren er und seine Frau engste Vertraute von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Er hat ihnen Bahncards besorgt, soll für sie Wohnmobile angemietet und ihnen geholfen haben, ihre Identität zu verschleiern.

© SZ vom 26.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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