Misshandlungen in der Bundeswehr:"Sauereien gab's da immer"

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Im Prozess gegen 18 Soldaten geht es um Körperverletzung und entwürdigende Behandlung - der Richter spricht von Folter. Ein Angeklagter verteidigt sich mit einer erschreckenden Logik.

Hans Holzhaider

Der Vorsitzende Richter der 8. Strafkammer am Landgericht Münster, Thomas Mattonet, ist ein Mann, der nicht zu Übertreibungen neigt.

Ein Angeklagter in Bundeswehruniform betritt den Gerichtssaal 023 des Landgerichts Münster. (Foto: Foto: dpa)

Er war selbst bei der Bundeswehr, "vor sehr langer Zeit", sagt er, und er weiß: "So kleine Sauereien gab's da schon immer".

Aber das, was der ehemalige Stabsunteroffizier Matthias H. erzählt, kann auch Richter Matonett nicht unter der Rubrik "kleine Sauerei" verbuchen.

"Wenn einer auf dem Rücken liegt", sagt er, "und jemand hält ihm die Nase zu und pumpt ihm Wasser in den Mund, dann ist man schon an einem Punkt, wo man denkt, das könnte Folter sein".

Es ist der zweite Tag im Prozess gegen 18 Soldaten und Ex-Soldaten der Bundeswehr, die wegen Körperverletzung und entwürdigender Behandlung von Untergebenen angeklagt sind.

Die lockere Stimmung vom ersten Prozesstag ist verflogen. Da war davon die Rede gewesen, dass die Behandlung, die den Rekruten bei der simulierten Geiselnahme und dem darauffolgenden Verhör zuteil wurde, allen richtig gut gefallen hätte.

Erschießung eines Kameraden simuliert

Bei dem, was der frühere Stabsunteroffizier (StUffz) Matthias H. berichtet, kommen beim Gericht und bei den Zuhörern doch erhebliche Zweifel am Unterhaltungswert dieser so genannten Ausbildung auf.

Der StUffz Matthias H. hatte, als er im April 2004 als Ausbilder zum Instandsetzungsbataillon 7 in Coesfeld abkommandiert wurde, sechs Monate Dienst bei den deutschen SFOR-Truppen in Bosnien abgeleistet.

Zur Vorbereitung darauf hatte auch er eine simulierte Gefangennahme über sich ergehen lassen müssen. Besonders eindrucksvoll fand er dabei, wie die Erschießung eines Kameraden simuliert wurde, der dann als scheinbar blutüberströmtes Opfer vorgeführt wurde.

Als er von seinem Vorgesetzten in Coesfeld, dem Hauptfeldwebel Martin D., als Leiter der Station "Gefangenenbefragung" eingeteilt wurde, habe es keine detaillierten Anweisungen gegeben, sagt der ehemalige StUffz. "Mach es so ähnlich, wie es bei dir auch war", habe man ihm aufgetragen.

Also legte H. mit Hilfe von drei Obergefreiten in einer Sandgrube ein kleines Gefangenenlager an, umzäunte es mit Natodraht und garnierte es mit einem Maschinengewehr, das in erhöhter Position hinter einigen Sandsäcken aufgebaut war.

"Ich wollte denen nichts Böses"

Als dann die "Gefangenen" mit auf dem Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen angeliefert wurden, mussten sie zunächst vor einer steilen Böschung knien, "im weichen, gemütlichen Sand", wie sich der Angeklagte ausdrückt.

Dann wurden sie einzeln "herausgezogen" und brüllend und auf Englisch nach Namen, Dienstgrad, Stärke der Einheit und Namen des Vorgesetzten befragt. Um der Sache Nachdruck zu verleihen, mussten die Rekruten Liegestütze machen, bis sie nicht mehr konnten.

"Ich wollte denen nichts Böses", sagt Matthias H., "das war eben meine Rolle".

Dann, berichtet H., sei der Hauptfeldwebel D. in der Sandgrube erschienen, und habe einen "Querulanten" angekündigt, der "ordentlich rangenommen" werden sollte. "Ja", sagt der Angeklagte H., "und dann kam die besagte Kübelspritze zum Einsatz".

Das geschah dergestalt, dass dem "Querulanten" der Spritzenschlauch an den Mund gehalten und dann drauflos gepumpt wurde. "Hat der den Mund denn aufgemacht", fragt der Vorsitzende. "Erst nicht", antwortet der Angeklagte, "aber durch den Wasserdruck dann schon".

Der Hauptfeldwebel habe zu erkennen gegeben, dass er das ganz in Ordnung finde. Deshalb fand H. nichts dabei, auch anderen Kameraden diese Sonderbehandlung angedeihen zu lassen.

"Auch, wenn die auf dem Rücken lagen", fragt der Richter. "Jawohl", erwidert Matthias H., "ich fühlte mich durch die Dienstaufsicht gestärkt." Die Spritze, die 15 Liter fast, musste mehrmals nachgefüllt werden.

Als das Wasser dann zur Neige ging, habe er sich "was Adäquates überlegen müssen", sagt H. Da habe es dann nahegelegen, den Rekruten ein bisschen Sand in den Nacken und in die Hose zu stopfen. Das alles ist detailliert auch auf Fotos zu sehen, die im Gerichtsaal auf eine Leinwand projiziert werden.

"Nicht ernst genommen"

Man sieht einen gefesselten Rekruten am Boden liegen, eine Hand hält ihm die Nase zu, eine andere hält ihm den Schlauch an den Mund. Man sieht auch Rekruten, die einen Baumstamm auf den Armen halten, und zwar einen ziemlich großen, und der Soldat sieht aus, als werde er gleich zusammenbrechen.

"Das war wohl schon in einem fortgeschrittenen Stadium", kommentiert der Angeklagte dieses Bild. Schließlich sieht man noch ein Foto von einem Soldaten, der auf dem Bauch liegt und dem die Füße mit den Händen auf dem Rücken zusammengefesselt sind.

Der Angeklagte erinnert sich: "Da kamen zwei besonders Verschnürte. Die haben das Ganze nicht ernst genommen. Die haben dann auch ihren Baumstamm und ein bisschen Wasser gekriegt."

© SZ vom 22.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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