Ministerposten:Weiblicher als die Grünen

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Sebastian Kurz will für die ÖVP mehr Frauen als Männer ins Kabinett berufen.

Von Peter Münch

Wer die Ämter in einer Koalition verteilt, muss auch in Österreich vieles bedenken: Welcher Partner bekommt wie viele Posten? Wie lassen sich die verschiedenen Kraftzentren in den Parteien einbinden? Wie schafft man den regionalen Proporz? All das ist fein austariert in der künftigen österreichischen Bundesregierung. Vor allem aber ist dem Bündnis zwischen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und den Grünen ein Novum mit Signalwirkungen gelungen. Das Kabinett in Wien wird mehrheitlich weiblich besetzt sein. Wenn künftig der alte und neue Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) seine Regierungsmannfrauschaft um sich versammelt, werden neben ihm sechs Minister und acht Ministerinnen am Tisch sitzen.

Von Kurz ausgesucht: Klaudia Tanner (ÖVP) soll künftig das Verteidigungsministerium führen. (Foto: Jakob Glaser/dpa)

Bei den Grünen, die insgesamt vier Ministerien erhalten, ist eine geschlechtergleiche Aufteilung der Posten zwischen Männern und Frauen ohnehin längst Tradition. Doch das grüne Paritätsprinzip wird nun noch von der konservativen ÖVP getoppt, wo Parteichef Kurz offenkundig ein Zeichen der Modernisierung setzen will. Vorgegeben hatte diese Line allerdings bereits im Sommer der den Grünen entstammende Bundespräsident Alexander Van der Bellen, als er bei der Berufung der Expertenregierung unter der ersten Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein auf Geschlechterparität achtete. Dahinter wollte nun wohl niemand mehr zurückfallen.

Leonore Gewessler soll Herzensanliegen der Grünen durchsetzen in einer Art Superministerium, in dem sie zuständig sein wird für den Klimaschutz, die Umwelt, den Verkehr, die Infrastruktur, Energie und Innovation. (Foto: imago)

Die neue Koalition setzt sich damit auch deutlich ab von der rechten Vorgängerregierung aus ÖVP und FPÖ, in der Frauen nur rund ein Drittel der Posten besetzten und in der auf Seiten der Freiheitlichen vor allem die Burschenschafter den Ton angaben. Im Parlament sind die Frauen mit knapp 40 Prozent zwar noch in der Minderheit, aber der Anteil steigt von Wahl zu Wahl. Überdies werden zwei von drei Oppositionsparteien von Frauen geführt, Pamela Rendi-Wagner bei der SPÖ und Beate Meinl-Reisinger bei den Neos. Nur die FPÖ setzt noch auf eine Art männlicher Doppelspitze mit Parteichef Norbert Hofer und seinem Vize Herbert Kickl.

Die Juristin Alma Zadić floh einst als Kind mit ihren Eltern vor dem Krieg in Bosnien. Nun soll die Grüne das Justizministerium leiten. (Foto: Hans Punz/dpa)

Als Musterbeispiel für den Kurs von Kurz kann die Berufung von Christine Aschbacher als Ministerin für Arbeit, Jugend und Familie gelten. In der Politik ist die 36-Jährige bislang weitgehend unbekannt, aber sie bringt Erfahrung aus der Wirtschaft als selbständige Unternehmensberaterin mit. Für Überraschung hat überdies die Nominierung von Klaudia Tanner als Verteidigungsministerin gesorgt. Bislang leitete sie den eher fachfremden Bauernbund in Niederösterreich, dies allerdings mit straffer Hand. Eine bedeutsame Position im Kabinett wird auch Susanne Raab im neu geschaffenen Integrationsministerium einnehmen. Die Kurz-Vertraute, die seit Jahren mit dem Thema befasst ist und mitverantwortlich war für das Burka-Verbot in Österreich, soll erreichen, dass die ÖVP weiter mit einer kernigen Migrationspolitik bei der rechten Anhängerschaft punktet.

Mit dem bisherigen Partei-Generalsekretär Karl Nehammer als Innenminister will die ÖVP beim Thema Sicherheit und Migration Profil zeigen. (Foto: Lukas Huter/dpa)

Bei den Grünen begnügt sich Werner Kogler - so wie einst auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache - als Vizekanzler mit der Zuständigkeit für den Sport und die Beamten, dazu kommt noch die Kultur. Das soll ihm wohl den Rücken freihalten fürs Krisenmanagement, falls die Koalition einmal in Turbulenzen kommt. Für die Umsetzung der grünen Kernthemen in der Regierungspolitik wird vorrangig Leonore Gewessler verantwortlich sein, die in einer Art Superministerium für den Klimaschutz, die Umwelt, den Verkehr, die Infrastruktur und für Energie und Innovation zuständig sein wird. Sie ist Quereinsteigerin in die Politik und war zuvor Geschäftsführerin der NGO Global 2000, wo sie Kampagnen gegen Freihandelsabkommen oder den Bau einer dritten Startbahn am Wiener Flughafen organisierte. Zentral für die Grünen ist zudem das von Alma Zadić geleitete Justizministerium. Die eloquente Juristin, die mit ihren Eltern als Kind vor dem Krieg in Bosnien fliehen musste, war erst im jüngsten Wahlkampf von der Liste Pilz zu den Grünen gewechselt.

Die lange Liste der Frauen sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kurz die Schlüsselministerien für Finanzen, Inneres und Äußeres mit Männern besetzt hat. Für die Finanzen wird künftig sein langjähriger Vertrauter Gernot Blümel zuständig sein, ein studierter Philosoph und Politik-Profi. Das Innenministerium, in dem zuletzt der FPÖ-Hardliner Kickl wirbelte, wird unter dem bisherigen Partei-Generalsekretär Karl Nehammer wieder zur Bastion der ÖVP. Im Außenministerium verbleibt als einzige Konstante aus der Expertenregierung der Berufsdiplomat Alexander Schallenberg. Auch er gehört schon lange zum engeren Kreis um Kurz. Die Zuständigkeit für die Europapolitik muss er allerdings wiederum an eine Frau abgeben. Kanzleramtsministerin mit EU-Zuständigkeit wird Karoline Edtstadler, die sich bislang vor allem durch einen harten Kurs in der Sicherheitspolitik einen Namen gemacht hat.

Über diesem Kabinett thront ein Regierungschef, der mit 33 Jahren bereits ein Comeback als Kanzler geschafft hat. Sein Mantra lautet Veränderung. Die hat er nun geschafft mit einem neuen Koalitionspartner und vielen neuen Gesichtern in der Ministerrunde.

© SZ vom 03.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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