Militäreinsatz im Kongo:"Wir kennen uns dort nicht aus"

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Vor dem möglichen Einsatz im Kongo herrscht Skepsis bei der Bundeswehr: Sie scheint dafür nur bedingt einsatzbereit zu sein.

Joachim Käppner

Ein deutscher Soldat ist schon dort gewesen, auch wenn die Bundeswehr aus guten Gründen jegliche Traditionslinie ablehnen dürfte: der "Kongo-Müller". Siegfried Müller, ehemaliger Wehrmachtsoffizier, gehörte zu jenen weißen Söldnern, die im Jahr 1964 im Dienste des kongolesischen Staatschefs Moise Tschombé Angst und Schrecken im Land verbreiteten.

Am Kühlergrill seines Jeeps war ein Totenschädel als Galionsfigur montiert. Ohne zu wissen, wen er vor sich hatte, gab er einem DDR-Fernsehteam ein Interview, das zu dem Dokumentarfilm "Der lachende Mann" benutzt wurde.

Darin sagt Müller: "Wir haben für Europa gekämpft im Kongo, für die Idee des Westens, und zwar für liberté, fraternité und so weiter, Sie kennen diese Sprüche..."

Um die Ideale des Westens geht es ernsthaft, wenn die Europäische Union zur Absicherung der Wahlen im Kongo dort militärisch intervenieren sollte. Die Bundeswehr scheint dafür aber nur bedingt einsatzbereit zu sein.

Am ehesten könnte sie logistisch helfen, etwa beim Transport und dem Aufbau von Lazaretten, vor allem aber mit den Kapazitäten des Einsatzführungskommandos in Potsdam, das eine solche Mission zu koordinieren verstünde. Wesentlich problematischer erscheint die Entsendung von Truppen in den Kongo.

Probleme mit dem Klima

Da ist erstens das Problem des overstretch, der Überdehnung der Kräfte. 6300 deutsche Soldaten sind in Bosnien-Herzegovina, im Kosovo, in Afghanistan, am Horn von Afrika und anderswo stationiert, eine vielfache Zahl ist mit der Organisation dieser Einsätze beschäftigt oder steht zur Ablösung im Rahmen der Kontingentswechsel bereit.

"Wir sind fast am Anschlag", heißt es bei vielen Soldaten. Auch der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Nachtwei, bezweifelt, ob "die Bundeswehr über ausreichend Kapazitäten verfügt".

Und die deutsch-französische EU-battlegroup, eine schnelle Eingreiftruppe, ist eigentlich erst im Jahr 2007 einsatzbereit: Noch besteht sie fast ausschließlich aus Deutschen.

Das zweite Problem ist die Natur des Konflikts. Die bisherigen Auslandsmissionen der Bundeswehr dienten eher dem peace keeping. Ein Einsatz im Kongo, selbst wenn er auf die Hauptstadt Kinshasa beschränkt bliebe, könnte dagegen zu bewaffneten Zusammenstößen führen - etwa wenn es im Vorfeld der Wahlen am 18. Juni Unruhen gäbe.

Das größte Horrorszenario: die Konfrontation mit Kindersoldaten

"Was uns dort im Kongo erwartet, kann man sich in Deutschland kaum richtig vorstellen", sagt Oberstleutnant Ulrich Kirsch, Vize-Vorsitzender des Deutschen Bundeswehr-Verbandes. "Ich fürchte, dass es nicht genügt, ein bißchen Flagge zu zeigen."

Würden die Deutschen - was derzeit nicht geplant ist - auch in den Bürgerkriegsprovinzen eingesetzt, wären sogar Konfrontationen mit Kindersoldaten möglich, was in der Truppe als größtes Horrorszenario gilt, auf das bisher niemand vorbereitet wurde.

Ein drittes Problem ist das Klima - weniger wegen der Ausrüstung als wegen der Gesundheit. Die Soldaten müssten sechs Wochen vor dem Einsatz gegen Tropenkrankheiten geimpft werden. In der Regel wird aber ein Teil der Geimpften wegen der Nebenwirkungen krank.

Viertens fehlt der Bundeswehr, anders als Belgiern, Franzosen und Engländern, die als frühere Kolonialmächte immer wieder Militär in Afrika einsetzen, die Erfahrung auf dem Kontinent. Kirsch: "Wir kennen uns dort nicht aus und sind darauf schlicht nicht vorbereitet."

© SZ vom 08.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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