Migrationsreport:Schlechte Startchancen

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Einer Studie des Deutschen Jugendinstituts zufolge erhalten Kinder mit Migrationshintergrund seltener einen Kitaplatz. Dabei wäre ein solcher Betreuungsplatz vor allem fürs Deutschlernen wichtig.

Von Nina von Hardenberg, München

Kinder mit Migrationshintergrund erhalten seltener einen Kitaplatz als andere Kinder. Auf diesen Missstand weist der Kinder- und Jugendmigrationsreport 2020 hin, den das Deutsche Jugendinstitut (DJI) am Donnerstag veröffentlicht hat. Schon jetzt habe etwa ein Drittel der über dreijährigen Kitakinder Migrationshintergrund, gut zwei Drittel dieser Kinder sprächen zu Hause vorwiegend eine andere Sprache. "Die Kita ist damit der zentrale Ort, an dem diese Kinder Deutsch lernen", sagt DJI-Direktor Thomas Rauschenbach. Viele aber erhalten diese Chance nicht oder erst später, als es sich die Eltern wünschen, so die Warnung der Wissenschaftler. Denn Kinder mit Migrationshintergrund, insbesondere in der Altersgruppe der unter Dreijährigen, waren in Kitas im Jahr 2019 deutlich seltener anzutreffen als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund (21 Prozent gegenüber 42 Prozent).

"Offenbar tun sich diese Familien schwerer, trotz Rechtsanspruch einen Betreuungsplatz zu bekommen, solange keine ausreichende Anzahl an Plätzen vorhanden ist", sagt Rauschenbach. Diese Vermutung legt auch eine Kinderbetreuungsstudie des DJI aus dem Jahr 2017 nahe. Damals gaben 22 Prozent der Familien mit Migrationshintergrund an, keinen Platz für ihr unter dreijähriges Kind bekommen zu haben, obwohl sie sich einen wünschten. Bei anderen erfüllt sich der Wunsch dagegen öfter. Nur zehn Prozent der Familien ohne Migrationshintergrund erhielten den erwünschten Platz nach eigenen Angaben nicht.

Für den Kinder- und Jugendmigrationsreport hat das DJI die Daten amtlicher Statistiken und repräsentativer Untersuchungen zum Aufwachsen und zu den Bildungskarrieren von Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland ausgewertet - und wirft so einen wichtigen Blick auf eine wachsende Gruppe junger Menschen: Mehr als ein Drittel aller Unter-25-Jährigen in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. In manchen Großstädten ist es jedes zweite Kind. Verglichen werden junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, aber auch die verschiedenen Migrationsgenerationen: Nur gut ein Viertel der unter 25-Jährigen mit Migrationshintergrund ist selbst nach Deutschland zugewandert - zum Beispiel auf der Flucht oder aus anderen EU-Ländern - und gehört damit der ersten Generation an. Knapp drei Viertel (73 Prozent) sind hier geboren und leben bereits in der zweiten oder dritten Generation im Land.

Die Ergebnisse sind einerseits ermutigend, zeigen sie doch, dass die Schulprobleme, mit denen die selbst eingewanderte Generation zu kämpfen hat, sich bei ihren Kindern und Enkeln bessern. So haben im Jahr 2017 junge Erwachsene der zweiten und dritten Generation viel seltener die Schule ohne Abschluss verlassen (vier Prozent) als die der ersten Migrationsgeneration (13 Prozent). Trotzdem ziehen selbst die Enkel der Eingewanderten noch nicht mit Kindern ohne Migrationshintergrund gleich, von denen nur zwei Prozent ohne Abschluss blieb. Die Ursache für das schlechtere Abschneiden der zweiten und dritten Generation liegt den Forschern zufolge in den schlechteren Startchancen dieser Kinder, deren Eltern öfter selbst niedrige Bildungsabschlüsse oder weniger Einkommen haben.

© SZ vom 19.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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