Michele Bachmann:Die schrille Tea-Party-Ikone will nicht mehr

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Will 2014 nicht mehr fürs Repräsentantenhaus kandidieren: die Republikanerin und Tea-Party-Ikone Michelle Bachmann (Foto: AFP)

Laut, radikal, konservativ: So versuchte die Republikanerin Michele Bachmann Amerikas Präsidentin werden. Bekanntlich scheiterte der Liebling der Tea-Party-Bewegung. Nun kündigt sie an, 2014 abtreten zu wollen. Über ihre Zukunft schweigt Bachmann, doch sie hat das politische Klima in Washington längst verändert.

Von Matthias Kolb

Unter den Republikanern, die 2012 Barack Obama stürzen wollten, war Michele Bachmann die schrillste und lauteste. Der Liebling der Tea Party hatte keine Chance im Kampf um das Weiße Haus, doch die Wähler in Minnesota schickten sie erneut ins Repräsentantenhaus. Nun hat Bachmann angekündigt, 2014 nicht mehr antreten zu wollen. Ihre Arbeit wird in Washington lange nachwirken.

Bachmann verkörpert genau das, was altgediente republikanische Politiker an vielen der heutigen Abgeordneten verachten: Sie sind laut, radikal, erzkonservativ und halten einen Kompromisse für eine Niederlage.

Erst am Wochenende hatte es Bob Dole nicht mehr ausgehalten. Der Ex-Senator, der 1996 gegen Bill Clinton verloren hatte, schlug in einer Talkshow vor, die Republikaner sollten ein Schild mit der Aufschrift "Wegen Reparatur geschlossen" an die Tür der Parteizentrale hängen und sich endlich modernisieren. Den Konservativen fehle eine Vision und sie seien unfähig, mit den Demokraten zusammenzuarbeiten.

Dass die Tea-Party-Ikone Bachmann nun ihren Rückzug aus der Politik erklärt, hat wohl nichts mit dem Poltern des alten Recken Bob Dole zu tun, doch es passt ins Bild. Im März hatten US-Medien berichtet, dass es Hinweise auf einen Missbrauch von Wahlkampfgeldern gebe. Zudem hatte Bachmann, die sich mit Attacken gegen den "anti-amerikanischen" Präsidenten Barack Obama profiliert hatte, ihren Wahlkreis nur mit einem hauchdünnen Vorsprung gewonnen.

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In einem achtminütigen Video wies die 57-jährige Politikerin aus Minnesota jeden Zusammenhang mit den Vorwürfen zurück. Ihre Entscheidung, im November 2014 nicht noch mal antreten zu wollen, habe natürlich rein gar nichts mit Untersuchungen ihrer Präsidentschaftskampagne durch die Ethikwächter im Kongress und die Bundeswahlbehörde zu tun.

Also wird nun über das "Erbe" der Tea-Party-Ikone und äußerst erfolgreichen Spendensammlerin debattiert. Glenn Kessler, der als Fact Checker für die Washington Post Aussagen von Politikern überprüft, stellt Bachmann ein eindeutiges Zeugnis aus: "Kein Abgeordneter hat die Wahrheit so oft verdreht und die Höchststrafe von vier Pinocchios kassiert."

Die in schrillem Ton vorgetragenen Lügen und Behauptungen seien fester Bestandteil des Bachmannism, urteilt auch der Publizist E. J. Dionne: Es gelte, die eigene Basis zu unterhalten und ständig bei den konservativen Talkradio-Moderatoren und auf Fox News präsent zu sein.

Dass die Aussagen oft faktisch falsch sind, stört sie nicht. Kritik wird mit der Voreingenommenheit der liberalen Medien erklärt. Das Rücktrittsvideo ist, typisch Bachmann, gespickt mit Anklagen gegen die Obama-Regierung, die für den Tod von vier Soldaten verantwortlich sei und die Steuerbehörde IRS angewiesen habe, unbescholtene Bürger zu bespitzeln. Diese oft hanebüchenen Unterstellungen haben schon vor Jahren dazu geführt, dass Bachmann neben Sarah Palin zur zweiten Galionsfigur der Tea-Party wurde. Deren Anhänger wollen den Staat in seine Schranken weisen und zu mehr Sparsamkeit verpflichten.

Wie sie sich ihre Zukunft vorstellt, darüber schweigt die evangelikale Christin bisher. Nebulös formuliert sie, es gebe keine Option "direkt in der politischen Arena oder woanders", die sie nicht ernsthaft in Erwägung ziehen würde, um beizutragen, "unsere großartige Nation für künftige Generationen zu schützen".

Matthew Yglesias vermutet bei Slate.com, dass Bachmann ein knallhartes Kalkül antreibt. Nach einem kurzen Hoch im Präsidentschaftswahlkampf 2012 wurde sie nach vielen Patzern abgestraft und zog sich bald aus dem Rennen zurück. Die Menschen in ihrer Heimat Minnesota seien nicht konservativ genug, um sie zur Gouverneurin oder zur Senatorin zu wählen.

Ein Ausstieg aus der aktiven Politik und der Einstieg in den "konservativen Edutainment-Komplex" sei allemal lukrativer und mit weniger Arbeit verbunden: "Mit Büchern und Auftritten als Rednerin oder in TV-Studios kann sie viel Geld verdienen." Yglesias bringt es auf den Punkt: Es ist heutzutage leichter, als Abgeordneter berühmt als wirklich mächtig zu werden.

Bis Ende 2014 wird Bachmann sicher nicht schweigen. Und anschließend ihre Sicht der Dinge auf die gleiche Art verbreiten - nur eben nicht mehr als Politikerin, sondern als Medien-Star. Die von ihr perfektionierte Strategie, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, hat bereits viele Nachahmer gefunden. Allerdings reden Republikaner wie Jason Chaffetz oder Ted Cruz in einem anderen Tonfall.

Das Erbe der Michele Bachmann wird in Washington noch länger spürbar sein.

Linktipp: In der New York Times schilderte eine lesbische Verwandte von Michele Bachmann im vergangenen Jahr, wie die Politikerin sie ignoriert, seitdem sie Abgeordnete in Washington wurde. Obwohl die beiden früher befreundet waren, agitiert Bachmann nun offensiv gegen die Homo-Ehe.

© Süddeutsche.de/mit Material von AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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