Meine Presseschau:Selenskij - ein neuer Ronald Reagan?

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In der Ukraine bekommt der frisch gewählte Präsident viel Beifall von den Medien. Aber er wird auch an hohen Ansprüchen gemessen.

Von Frank Nienhuysen

Es war eine ungewöhnliche Parlamentswahl in der Ukraine, weshalb es derartige Folgen auch noch nie gab. So viele unerfahrene Abgeordnete ziehen für die neue Regierungspartei "Diener des Volkes" mit absoluter Mehrheit in die Oberste Rada ein, dass die jungen Volksvertreter erst einmal für eine Woche in die Schule müssen. Die Kyiv Post berichtet, dass die Partei ihre Abgeordneten auf die Kiewer School of Economics schickt - in einen Intensivkurs Wirtschaft.

Zeit darf nach Ansicht der ukrainischen Medien nicht verloren gehen. Die Ukrainska Pravda meint, dass der Erfolg des neuen Parlaments davon abhängt, ob es zügig und effizient jene Gesetzentwürfe verabschiedet, die das Land "systematisch mit der Europäischen Union integrieren und die Justiz reformieren". Dazu gehörten "moderne Mechanismen für elektronische Unterschriften und Ausweise wie auch ein Gesetz über ein Antikorruptionsgericht".

Der politische Korrespondent des Senders Hromadske-TV, Maxim Kamenew, schreibt in einem Beitrag für die Kyiv Post, dass das Parlament "nicht nur in der Quantität erneuert wird, sondern auch besser" sein werde. "Es wird jene Mehrheit von Abgeordneten fehlen, die über Jahre hinweg Einflussgruppen gebildet haben, die sie dann ausgebeutet haben, um ihre eigenen Geschäfte zu machen." Der Autor nennt dies den "größten Austausch der politischen Eliten, den es seit 1991 in der Ukraine gegeben hat".

Viel Beifall also für den jungen Präsidenten Wolodimir Selenskij, der nun auch auf eine Hausmacht im Parlament setzen kann. In der Kyiv Post vergleicht Michael Yurkovich vom Atlantic Council den früheren Fernsehschauspieler Selenskij mit dem ehemaligen US-Präsidenten und Hollywood-Schauspieler Ronald Reagan. Er empfiehlt ihm, von dem Republikaner zu lernen: Der sei nicht wegen seiner einstigen Schauspielerei erfolgreich gewesen. Selenskij müsse wie Reagan die Wirtschaft schnell voranbringen und dazu unter anderem abgewandertes Kapital in die Ukraine zurückbringen, etwa "mit einer einmaligen Steueramnestie". Wichtig sei auch, dass nicht länger "Geld aus dem Westen durch populistische Politiker verschwendet wird".

Die russische Zeitung Nesawissimaja Gaseta schreibt, in der Ukraine seien neue Parteien deshalb aufgetaucht, "weil die Menschen müde sind vom Krieg, von wirtschaftlicher Instabilität und dem alten Establishment". Sowohl für die russische als auch für die ukrainische Elite sei "die wichtigste Aufgabe in den nächsten Jahren die Wirtschaft, das Einkommen der Bürger, ihr Wohlstand". Den Konflikt zwischen Moskau und Kiew zu beenden, scheine nicht möglich, meint die NG. "Aber einige vergiftete Schlüsselpunkte zu lösen, ist möglich. Und nötig."

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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