2018 ist kein gutes Jahr für den Rechtsstaat in Europa. Das wird in Rumänien mit bestürzender Deutlichkeit sichtbar. Die Warschauer Gazeta Wyborcza analysiert die Krise in Bukarest vor dem Hintergrund, dass auch in Ungarn und im eigenen Land der Rechtsstaat demontiert wird. Sie befürchtet, dass Rumänien zu einer "illiberalen Demokratie nach dem Vorbild Ungarns oder Polens" werden könnte. Wie entschieden die rumänischen Postkommunisten (PSD) vorgingen, zeigten die jüngsten Gesetze, die Korruption und Amtsmissbrauch weitgehend straffrei stellen: Innerhalb von nur zwei Tagen hätten die Postkommunisten gleich 237 entsprechende Gesetzesänderungen vorgelegt. Nicht nur der politische Rückschritt erinnert die Wyborcza an das eigene Land, sondern auch die Tatsache, dass drei bis fünf Millionen Rumänen ausgewandert sind; auch aus Polen zogen zweieinhalb Millionen Bürger fort, etwa nach Deutschland oder England.
Die tschechische Wirtschaftszeitung Hospodářské Noviny sieht Rumänien ebenfalls vor Problemen, wie sie Ungarn und Polen haben: "eine schwache Opposition und eine regierende Elite, die vor nichts zurückschreckt". Rumänien stehe am Scheideweg, ob es in ein autoritäres Regime wie in Ungarn abgleite oder seine bisherige prowestliche und proamerikanische Orientierung beibehalte.
Von 2016 an hätten die von Liviu Dragnea geführten PSD-Politiker schrittweise ihre Macht durch Gesetzesänderungen zementiert. Dragnea wurde 2015 rechtskräftig wegen Wahlfälschung verurteilt. Die Angst vor dem Gefängnis sei eine der wichtigsten Triebfedern der Postkommunisten, und der Wunsch, sich in einem der ärmsten EU-Länder weiter an Staatsgeldern bedienen zu können. Trotz der massiven Proteste in Bukarest und anderen Städten glaubt das Prager Blatt, dass die Postkommunisten allenfalls durch einen parteiinternen Putsch gegen Dragnea wanken könnten; zu schwach sei die Opposition. Niemand wage vorauszusagen, wohin die rumänische Politik führe.
Kommentatoren aus Bukarest wie Andrei Plesu, ein führender Intellektueller Rumäniens, halten die Regierung für "bankrott". Seit Beginn ihres Mandats vor knapp zwei Jahren habe sie sich durch Inkompetenz und mangelndes Interesse an den wirklichen Problemen des Landes ausgezeichnet. Mit dem Zusammenprügeln des Protestes in Bukarest habe sie nun auch "Bestialität und Schamlosigkeit" bewiesen, kommentierte Plesu.
Die Tageszeitung Evenimentul Zilei sieht die Postkommunisten nach dem gewalttätigen Einsatz gegen Demonstranten "im freien Fall". Acht von zehn Rumänen seien neuen Umfragen zufolge überzeugt, dass ihr Land in die falsche Richtung unterwegs sei. Die Hälfte der Bürger wolle sogar eine vorgezogene Neuwahl. Doch auch das Bukarester Blatt glaubt, dass der Kampf um die Macht zunächst nur innerhalb der Postkommunisten selbst ausgetragen wird: Nachdem mehrere führende PSD-Parlamentarier oder frühere Ministerpräsidenten Dragneas Rücktritt forderten, "wackelt der Stuhl" des noch mächtigsten Mannes Rumäniens.