Meine Presseschau:Polnischer Heroismus

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(Foto: Bernd Schifferdecker)

Wie die polnische Regierung mit fragwürdigen Mitteln Geschichtspolitik betreibt und von einigen Medien dafür auch noch gefeiert wird. Die Presseschau, ausgewählt von Polen-Korrespondent Florian Hassel.

Ausgewählt von Florian Hassel

Bald nach Amtsantritt von Polens rechtspopulistischer Regierung kündigte Kulturminister Piotr Gliński eine "Korrektur" an. Schließlich gebe es "keinen Anlass, Gruppen, welche die Dekonstruktion der polnischen Kultur, Traditionen und Identität anstreben, wie bisher zu bevorzugen". Einige Folgen führt die Gazeta Wyborcza jetzt auf: Unbequeme Kulturschaffende werden entlassen, Museen für moderne Kunst in Warschau und Lodz, Krakau und Breslau können keine Gegenwartskunst mehr kaufen. Literaturförderung soll "populäre Romane, welche die polnische Geschichte darstellen", bevorzugen. Museen sollen vor allem polnisches Leid anprangern und Heldentaten feiern. Wer eine andere Vorstellung hat, wie die Leitung des Museums des Zweiten Weltkrieges in Danzig, wird per Zwangsvereinigung mit einem noch gar nicht existierenden Museum über polnischen Heroismus auf Linie gebracht. "Korrektur - das heißt Kulturkampf!" fasst Gazeta Wyborcza die neue Kulturpolitik in Anspielung auf das Vorgehen von Reichskanzler Otto von Bismarck gegen die katholische Kirche im 19. Jahrhundert zusammen.

Jarosław Kaczyński, Chef der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (Pis) und nun faktischer Herrscher Polens, verkündete schon früher, die Erziehung junger Polen solle "nicht mehr auf Scham" aufbauen, sondern auf "Würde und Stolz". Das parteinahe Wochenmagazin Do Rzeczy ließ in dieser Woche Arkadiusz Karbowiak sekundieren, künftiger Direktor eines neu beschlossenen Museums zu Ehren polnischer Untergrundkämpfer und politischer Gefangener des Kommunismus. Das Museum solle die Geschichte "bis zum Ende kämpfender" Männer erzählen, die "ihr Leben dem Vaterland widmeten und sich zu keinerlei Kompromissen mit dem Feind hingaben." Dies sei "das richtige, zur Nachahmung empfohlene Ideal für junge Polen".

Ähnlich geht schon das ebenfalls von der Pis geförderte Museum des Warschauer Aufstandes vor, das seit 2004 den polnischen Widerstand gegen Wehrmacht und SS zeigt. Dass der militärisch aussichtslose Aufstand scheiterte, zur fast völligen Zerstörung Warschaus und der Ermordung Zehntausender Einwohner führte, wird in dem Museum nicht thematisiert. Kritische Fragen sind auch nicht erwünscht, bekräftigte ebenfalls in Do Rzeczy Piotr Gursztyn, seit Kurzem Direktor des staatlichen Geschichts-Fernsehkanals TVP Historia, in einem Aufsatz über "eine effektive Geschichtspolitik". Deren Aufgabe sei vielmehr festzulegen, "wer einen Platz im Pantheon der Helden hat - und wer als Verräter erkannt wird".

Denen kann schon bald der Staatsanwalt auf den Leib rücken. Polens staatliches Institut für nationale Erinnerung (IPN) ist einem Gesetz vom 29. April zufolge nicht nur für wissenschaftliche Aufarbeitung der Vergangenheit zuständig, sondern auch für die "Schaffung von Patriotismus und Festigung der Volksidentität". Mehr noch: Das IPN, schon jetzt mit eigenen Staatsanwälten ausgerüstet, soll nun mit Strafverfahren gegen jene vorgehen, die den polnischen Staat oder das polnische Volk verleumden, was etwa dem liberalen Wochenmagazin Polityka Sorgen macht. "Erstes Opfer" eines Verleumdungsverfahrens könne Princeton-Historiker Jan Tomasz Gross werden. Gross erforschte ausführlich dunkle Seiten der polnischen Geschichte wie Antisemitismus und ein von der SS angeregtes, von Polen verübtes Massaker an Hunderten jüdischen Nachbarn im Dorf Jedwabne. In Verbindung mit weiteren Vollmachten könne das IPN unter Pis-Kontrolle durchaus zur "historischen Polizei" werden, befürchtet Polityka.

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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