Meine Presseschau:Nächster potentieller Partner der Populisten

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(Foto: Bernd Schifferdecker)

Was bedeutet der Wahlsieg des tschechischen Milliardärs Andrej Babiš für das Land und Mitteleuropa? Ein Blick in die tschechische Presse.

Ausgewählt von Florian Hassel

Noch ist unklar, in welcher Parteien-Konstellation der Milliardär und Wahlsieger Andrej Babiš Tschechien in den nächsten Jahren regieren wird. Doch für die konservative Prager Wirtschaftszeitung Hospodářské Noviny steht fest: Da im linken wie im konservativen Lager alle Gruppen, die man zu den demokratischen Parteien zählen könne, geschwächt seien, "wird die Macht des sich selbst zum Politiker ausrufenden Managers Babiš nahezu unbegrenzt sein". Bisher habe in Tschechien ein Wahlsieger eine starke Opposition gehabt. Das sei nun nicht mehr der Fall. Bewusst hätten viele Tschechen mit Babiš einen Manager gewählt, von dem sie erwarteten, dass er das Land mit starker Autorität führe - im Rückgriff auf das traditionelle Klientelsystem, bei dem der Gewinner seine Wählergruppen belohnt. Die bevorstehende "Zeit des politischen Managertums, vielleicht auch des autoritären Regierens und des Populismus, kommt mit vielen ungewissen Aussichten für die Zukunft der tschechischen Republik", befürchtet das Blatt. Zumal sich schon jetzt abzeichnet, dass sich Babiš etwa auch mit der rechtsradikal-populistischen SPD auf gemeinsame Politik einigen wird.

Was aber bedeutet der Sieg des Milliardärs für Mitteleuropa, wie wird er sich auf die Zusammenarbeit von Tschechen, Slowaken, Ungarn und Polen in der Visegrád-Gruppe (V4) auswirken? Das liberale Warschauer Wochenmagazin Polityka richtet den Blick zunächst nach Wien: Schon das Wahlergebnis in Österreich sei mit dem Sieg von Sebastian Kurz und dem Erfolg der rechtspopulistischen FPÖ bei Polens regierenden Rechtspopulisten der Partei Recht und Gerechtigkeit (Pis) "mit großer Zufriedenheit aufgenommen" worden. Schließlich sei ein österreichischer Bundeskanzler, der sich auf die FPÖ stütze und die Flüchtlingspolitik der deutschen Bundeskanzlerin kritisiere, neben Ungarns Premier Viktor Orbán ein weiterer "potenzieller Partner". Schon halte die Pis einen gemeinsamen Gipfel von Pis-Parteichef Jarosław Kaczyński, Orbán und Kurz für denkbar. "Der nächste Kandidat für die Erweiterung der Kameradschaft ist Andrej Babiš", gibt Polityka die Erwartungen der Pis wieder - um dann kaltes Wasser auf derlei Ideen zu gießen.

Denn schon bisher habe sich die Visegrád-Gruppe nicht als arbeitsfähige Union erwiesen. Nicht zufällig habe Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Polen und Ungarn links liegen lassen und sich kürzlich nur mit Vertretern Österreichs, Tschechiens und der Slowakei getroffen. Die Warschauer Vorstellungen von der Visegrád-Gruppe als Gegengewicht zu Brüssel seien nicht mehr als eine Fantasie. Die V4 vereine nur der nationalistische Grundtenor. Doch weder gebe es gemeinsame Ideen zur Zukunft der EU noch zur Haltung gegenüber Russland. Das ebenfalls in Warschau erscheinende Magazin Visegrád Insight pflichtet dem bei: Polens Außenpolitik verliere an Boden. "Je stärker Polen im Konflikt mit der Hauptlinie der EU steht, desto schwächer wird die Visegrád-Gruppe". Das Blatt erinnert daran, dass der slowakische Ministerpräsident Robert Fico erst kürzlich klargestellt habe, er werde sich im Zweifel für ein vereintes Europa entscheiden. "Wir werden zu einer proeuropäischen Insel in dieser Region", kommentierte Fico nun das tschechische Wahlergebnis.

Die linke slowakische Pravda sieht es ähnlich: Nach Ungarn und Polen kehre nun auch Nachbar Tschechien dem Euro den Rücken. "Die Gemeinschaftswährung wird immer mehr ein Symbol des ,Westens' und des künftigen Kern-Europas." Alles deute darauf hin, dass von den Visegrád-Ländern vorerst nur die Slowakei Kurs auf dieses Kern-Europa halte.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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