Meine Presseschau:Fühlt sich Putin unwohl?

Russlands Medien rätseln, warum der Präsident die Regierung wechselt und die Verfassung ändert.

Von Frank Nienhuysen

Auch die russischen Medien waren überrascht, als Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew und seine Regierung ihren Rücktritt ankündigten und Wladimir Putin ihnen ein großes Rätsel stellte: was genau seine geplanten Verfassungsänderungen bedeuten. Für ihn, für die Regierung, für Russland. Laut Nowaja Gaseta "verspricht die politische Saison, eröffnet mit Putins Rede an die Nation, revolutionär zu werden". Die Änderungen der Verfassung würden dem Kreml "freie Hand geben für ein willkürliches Führungssystem nach 2024", sie könnten etwa den Vorrang von Menschenrechten "in Zweifel ziehen". Kritisch sieht die Zeitung die angekündigte Aufwertung des Staatsrates, "der sogar unsere Imitation des Parlamentarismus zerstört". Viele russische Medien, auch die Nowaja, vermuten, dass Putin nach seiner Zeit als Präsident 2024 das aufgewertete Gremium leiten könnte.

Die Zeitung Wedomosti schreibt, dass es sich für Putin nach 20 Jahren an der Macht "offenbar unbequem lebt" mit der Verfassung, die aus Jelzins Zeiten stammt. "Er will in die Geschichte eingehen nicht nur mit einem Sieg über den Terrorismus und dem Anschluss der Krim, sondern auch mit einer von ihm unterschriebenen neuen Verfassungsversion, die seinen Namen tragen wird."

Lob erhält die Wahl des neuen Regierungschefs Michail Mischustin. Viele konnten mit dem bisherigen Leiter der Steuerbehörde zunächst wenig anfangen, doch schnell wuchs Respekt. Leonid Berschidskij legt sich in der Moscow Times mit Blick auf die Wirtschaftsmisere unter Medwedjew sogar fest, dass Mischustin nicht nur ein Platzhalter-Premier sein wird, denn: "Er ist ein bürokratischer Superman, dessen persönliche Erfolge für jeden im Land sichtbar sind, von der Spitze bis unten."

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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