Meine Presseschau:Eine Schwiegertochter und ein Affront

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(Foto: N/A)

Das Vereinigte Königreich freut sich über die amerikanische Verlobte von Prinz Harry und ist empört über Tweets von US-Präsident Trump.

Von Cathrin Kahlweit, London

Die Freude über den jüngsten Import aus den USA hat nicht lange gewährt. Gerade mal ein paar Tage lang hatten die Briten Zeit und Gelegenheit, sich kollektiv für die künftige Schwiegertochter der Queen, die so selbstbewusste wie kamerataugliche Meghan Markle, zu begeistern, die der Telegraph schon zur "neuen Diana" hochjubelte. Dann kippten der Spectator und danach Präsident Donald Trump eine Menge Essig in den schönen Wein. Eine Kolumnistin des konservativen Intellektuellenblattes stellte fest, noch vor einigen Jahrzehnten wäre Markle der Typ Frau gewesen, die ein Prinz zur Geliebten, aber nicht zur Gattin genommen hätte. Aber die Zeiten hätten sich geändert; der Darling der Nation symbolisiere die neue "Apotheose aus Showbiz und Königshaus".

Außerdem habe die Dame, so der Spectator, leider eine eigene Meinung: Sie stehe politisch eher links und würde sich, auf Donald Trump angesprochen, wahrscheinlich die Nase zuhalten. Mit dieser Geste indessen wäre Ms. Markle nicht allein im Vereinigten Königreich. Theresa May mag nicht sonderlich populär sein, aber wenn ein US-Präsident mit seinen Tweets erst einer ekelhaften, rassistischen Organisation wie "Britain First" neue Fans zutreibt und dann die Premierministerin frontal angreift, indem er sie auffordert, sich nicht über seine Tweets zu erregen, sondern über radikale Islamisten im eigenen Land, dann schließen die Briten die Reihen. Der Präsident sei nicht mehr willkommen, heißt es nun; der Independent fordert May sogar auf, die special relationship zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA aufzukündigen und Trump schlicht auszuladen.

Der New Statesman geht noch weiter und stellt fest, Trump habe das ganze Land beleidigt, indem er May attackierte. "Wo stehen wir?", fragt der Autor. "Auf der Seite Europas oder von Trump? Wollen wir wirklich EU-Standards und Werte hinter uns lassen und das amerikanische Wirtschaftsmodell von Deregulierung und sozialer Ausgrenzung übernehmen?"

Theresa May und ihre Regierung könnten sich also erleichtert zurücklehnen: Monatelang standen sie im Mittelpunkt der Kritik, derzeit sind die Briten abgelenkt von einer Verlobung und einer Staatsaffäre. Aber die britischen Medien sind mitleidlos, und das wichtigste Thema des Jahres, die Brexit-Verhandlung, steuert auf einen Höhepunkt zu: den Gipfel in Brüssel.

Aus diesem Anlass hat die Times zusammengetragen, was May alles falsch gemacht hat. Die Liste ist nicht ganz ernst gemeint, trotzdem ist alles da, was zuletzt diskutiert wurde: die unnötige Neuwahl, ihre Lederhosen, ihre getigerten Pumps - und die Einschnitte in der Sozialhilfe. Kritisiert wird, dass May das EU-Austrittsverfahren in Gang setzte, bevor sie überhaupt wusste, wohin die Reise gehen sollte. Und dass sie die Meinung der Brexit-Gegner ignoriere. Die Liste endet mit zwei Kardinalfehlern: May, heißt es, hätte das Amt nie annehmen und auch nicht Chefin der konservativen Partei werden dürfen.

Hinter dem schwarzen Humor schimmert harte Realität durch, denn tatsächlich ist ungewiss, ob die Regierung das Jahresende erleben wird. Vieles hängt vom Ergebnis der Verhandlungen in Brüssel ab, und das wiederum von der nordirischen DUP, die das Tory-Kabinett qua Duldung im Amt hält. DUP-Chefin Arlene Foster hat, während May auf Reisen war, deutlich gemacht, dass ihre Partei bereit sei, den Tories die Unterstützung zu entziehen, wenn die Nordirland-Frage nicht befriedigend gelöst werde. Der Guardian fasst die Gesamtlage daher mit zwei Worten zusammen: "Projekt Angst".

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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