Meine Presseschau:"Eine fast normale Rechtsregierung"

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Peter Münch ist Korrespondent der SZ in Österreich. (Foto: sz)

Österreichs Medien betrachten die neue Koalition aus ÖVP und FPÖ meist sehr gelassen - mit einer Ausnahme.

Von Peter Münch

Schock? Wut? Widerstand? Kaum etwas davon ist zu spüren in den öffentlichen Reaktionen auf die Regierungsbildung in Österreich. Während im Ausland die in dieser Woche vereidigte Koalition aus ÖVP und FPÖ bisweilen mit Sorge oder auch Befremden betrachtet wird, gehen die österreichischen Medien eher geschäftsmäßig mit dem Richtungswechsel rechts rum um. Dafür gibt es mindestens drei Gründe. Erstens ist bald Weihnachten, und da soll es, verdammt noch mal, gemütlich sein. Zweitens weiß man als Österreicher, dass es immer noch schlimmer kommen kann. Und drittens ist diese Rechtsregierung mit einer deutlichen Mehrheit gewählt worden - und dass sie nun eine rechte Politik betreibt inklusive kantigem Anti-Migrationskurs, das entspricht dem Wählerwillen und kann schon allein aus Abnutzungsgründen kaum noch zum Alarmismus beflügeln.

Selbst der linksliberale Standard, bei dem die nötige Sensibilität gegenüber den Rechten zum Programm gehört, sieht im Bündnis von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache "eine fast normale Rechtsregierung". Kein Vergleich also zur Aufregung im Jahr 2000, als sich in Wien wöchentlich die Protestzüge formierten. "Ja, hier kommt eine dezidiert rechte Regierung ans Ruder mit einem migrationsfeindlichen und unternehmensfreundlichen Programm. Aber das gibt es auch anderswo in Westeuropa, etwa in den Niederlanden", schreibt der Kommentator Eric Frey. "Strache hat das geschafft, was Haider auch aufgrund seiner Persönlichkeit stets verwehrt war: Die FPÖ ist im Mainstream der europäischen Politik angekommen. Wenn sie noch ihre Fraktion im Europaparlament auswechselt, dann könnte sie den gleichen Weg einschlagen wie in Italien einst die neofaschistische Alleanza Nazionale unter Gianfranco Fini."

Staatstragend gibt sich auch die sonst gern mal krawallige Kronen Zeitung. Trotz der Konkurrenz niedertriebiger Gratisblätter steuert sie mit einer verkauften Auflage von mehr als 700 000 Exemplaren immer noch den politischen Kampagnen-Kurs und hat ihren Anteil daran, dass der Streichel-Kanzler Kurz nun die Geschäfte führt. Der neuen Koalition bescheinigt Innenpolitik-Chef Claus Pandi einen Start "mit unspektakulärer Professionalität. Das mag jene, die sich eine scharfe Wende mit großem Wumms erwartet hatten, enttäuschen. Aber Kurz ist trotz seiner Jugend bereits ein erfahrener Politiker, der weiß, dass die Österreicher die sanften Übergänge lieber haben."

Die konservative Presse bewertet das Regierungsprogramm als "ziemlich harmlos", sieht die angekündigten Veränderungen aber nur aufgeschoben. Chefredakteur Rainer Nowak erinnert an die Anfangszeit der ersten schwarz-blauen Koalition unter Kanzler Wolfgang Schüssel, die den Reformstau unter dem Motto "speed kills" im Eiltempo auflösen wollte. "Fest steht, dass Kurz und Strache mit ihrer Regierung weniger (...) in kurzer Zeit das Land völlig umkrempeln, sondern es in einem längeren Projekt über zwei Perioden schrittweise verändern wollen", schreibt er. "Das ist anfangs bequemer, langfristig aber ambitionierter."

Aus der Vielzahl der eher kuscheligen Kommentare ragt da doch recht einsam das links-alternative Wiener Wochenblatt Falter heraus. "Schöne Bescherung. Österreich hat jene Regierung, die es verdient hat", bilanziert der Herausgeber und Chefredakteur Armin Thurnher. Mit genüsslicher Polemik nimmt er "die Phrasen des 182 Seiten langen Regierungsprogramms" auseinander. Er warnt vor einer "Demolier-Koalition" und prophezeit: "Ein bitteres Jahrzehnt liegt vor uns."

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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