Mehrheitswahlrecht bleibt:Briten lehnen neues Wahlsystem ab

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Die Briten wollen ihr Parlament auch weiterhin mit dem Mehrheitswahlrecht bestimmen. Bei einer Abstimmung sprachen sie sich mit überwältigender Mehrheit gegen eine Änderung des Wahlverfahrens aus. Das Ergebnis ist ein schwerer Schlag für Nick Clegg, den Chef der Liberaldemokraten.

Es war der Versuch einer Neuerung für die älteste Demokratie der Welt. Doch die Briten haben sich in einer Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit gegen eine Reform ihres Wahlsystems entschieden. Nach der Auszählung von mehr als der Hälfte der Stimmen war am späten Freitagabend klar, dass das britische Parlament weiter nach dem bisherigen Mehrheitswahlsystem bestimmt werden wird. Prognosen zufolge hatten fast 70 Prozent gegen eine Änderung gestimmt.

Schlappe für Nick Clegg: Der britische Vizepremier und Chef der Liberaldemokraten wollte ein neues Wahlsystem durchsetzen - und scheiterte am Willen der Wähler. (Foto: dpa)

Das Nein zur Reform ist eine schwere Niederlage für die Liberaldemokraten, die seit einem Jahr als Junior-Partner mit den konservativen Tories in London regieren. Die Wähler straften die Partei außerdem bei parallel stattfindenden Regional- und Kommunalwahlen ab. Ein neues Wahlsystem hatte zu ihren zentralen Themen im Wahlkampf gehört.

Beim Mehrheitswahlsystem gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen im Wahlkreis. Die restlichen Stimmen, vor allem die kleinerer Parteien, verfallen einfach. Das zur Abstimmung stehende, neue System hätte eine Rangfolge unter den Kandidaten ermöglicht und damit auch kleineren Parteien größere Chancen gegeben.

Parteichef Nick Clegg bezeichnete den Wahlausgang am Freitag als "bitteren Schlag". Die Liberalen hätten die "Hauptlast und die Schuld" für die radikalen Sparmaßnahmen der Koalitionsregierung abbekommen. Seine Partei werde nun wieder aufstehen und ihre "Anstrengungen verdoppeln".

Clegg war in den vergangenen Monaten immer wieder vorgeworfen worden, Wahlkampfversprechen gebrochen zu haben. So hatte er zugesagt, dass die Studiengebühren nicht erhöht würden. Genau das aber war passiert. Auch bei den Sozialkürzungen sei Clegg in der Koalition zu viele Kompromisse eingegangen, meinen Kritiker.

Der Vize-Premier und seine Partei mussten aber noch mehr wegstecken als das deutliche Nein beim Referendum. Die Wähler straften die Partei außerdem bei parallel stattfindenden Regional- und Kommunalwahlen ab.

In einigen Wahlkreisen fuhren sie das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Die Liberaldemokraten verloren mehr als 600 Mandate. Die Regierungspartei von Premierminister David Cameron konnte bei der Wahl am Donnerstag etwa 80 Sitze hinzugewinnen, die oppositionelle Labour-Partei 800.

Cameron sagte dem Sender BBC, die Koalitionsregierung werde unabhängig vom Ausgang der Abstimmungen fortgeführt. "Es wird keine Feiern geben", sagte er, der sich mit dem Abschneiden der eigenen Partei zufrieden zeigte.

Die Auszählung dauerte in der Nacht zum Samstag noch an. Clegg sprach von einem schweren Schlag, betonte aber, die Koalition mit den Konservativen auf nationaler Ebene werde fortgesetzt.

Bei der Wahl zum Regionalparlament in Edinburgh sicherte sich die separatistische Schottische Nationalpartei (SNP) die Mehrheit der Sitze. Auf die SNP entfielen dem Ergebnis von Freitag zufolge 69 der 129 Mandate, damit konnte sie als erste Partei seit Gründung des Regionalparlaments 1999 eine Mehrheit erringen.

Parteichef Alex Salmond kündigte an, er werde sich für eine Abstimmung über die Loslösung Schottlands von Großbritannien einsetzen. "Die Leute haben der SNP das Vertrauen in einem Umfang ausgesprochen, wie es noch keiner Partei bei einer Wahl in Schottland zuteilwurde", sagte Salmond am Freitag.

Die Labour-Partei kam bei der Abstimmung am Donnerstag auf 37 Sitze - ihr schlechtestes Abschneiden in Schottland seit 80 Jahren -, die Konservativen auf 15. Labour verfehlte außerdem bei der am Donnerstag abgehaltenen Wahl zur Nationalversammlung in Wales knapp die Mehrheit und kam nur auf 30 der 60 Sitze.

© (AFP/dapd/dpa/gal) - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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