Mehrere Krisen:Blockiertes Land

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(Foto: 7z)

Eine einheitliche Regierung gilt als Schlüssel für Fortschritte. Doch das Parlament weigert sich noch, die EU droht mit Sanktionen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

In Libyen überlappen sich derzeit mindestens drei Krisen: Zum einen gibt es immer noch keine handlungsfähige Einheitsregierung, zum anderen breitet sich die Terrormiliz Islamischer Staat in diesem Machtvakuum weiter aus. Zugleich trudelt das Land dem wirtschaftlichen Zusammenbruch entgegen - was wiederum die anderen beiden Krisen weiter verschärft.

Das international anerkannte Parlament in Tobruk hat jüngst eine Kabinettsliste abgelehnt, die der designierte Premier Faiez Serraj vorgeschlagen hatte, und fordert, die Zahl der mehr als 30 Ministerposten zu halbieren. Zudem gibt es Streit über die künftige Rolle von General Khalifa Haftar, dem starken Mann im Osten Libyens. Nach der Vorstellung des Parlaments in Tobruk soll er Armee-Chef bleiben - was für die Gegenregierung in Tripolis und das sie unterstützende Milizen-Bündnis Morgenröte nicht akzeptabel sein dürfte.

Haftar gibt vor, mit seinen Truppen Bengasi von Islamisten befreien zu wollen, und er wird dabei von Ägypten unterstützt. Seine Soldaten kämpfen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), aber auch gegen andere islamistische Gruppen. Die Morgenröte wiederum besteht selbst überwiegend aus Islamisten. Bis Donnerstag soll der in Tunis tagende neunköpfige Präsidialrat unter Serraj einen Kompromiss unterbreiten. Die EU droht mit Sanktionen, um die Blockade zu brechen, die auch dem Ringen um Einfluss und wirtschaftliche Pfründe in einer neuen Ordnung geschuldet ist.

Eine Hilfsanforderung durch eine neue Einheitsregierung galt bisher als Voraussetzung für größer angelegte Luftangriffe auf IS-Hochburgen in Libyen und die geplante Stationierung von Hunderten Soldaten von Spezialeinheiten, die gemeinsam von den USA, Großbritannien, Frankreich und Italien vorbereitet werden. Grund dafür ist laut US-Verteidigungsminister Ashton Carter, dass der IS versucht, seine Präsenz in Libyen zu vergrößern, indem er Ausbildungsstätten errichtet und rekrutierte Ausländer dorthin schickt. Unter ihnen waren auch IS-Kader aus dem Irak. Die Gruppe erhebe in den von ihr kontrollierten Gebieten Steuern. Das alles erinnert sehr daran, wie sich der IS in Syrien und im Irak eingenistet hat.

Der UN-Sondergesandte Martin Kobler schätzte im Spiegel die Stärke des IS in Libyen auf 2000 bis 3000 Mann. Der libysche Ableger gilt Geheimdienstlern neben dem auf dem Sinai als der gefährlichste. Der IS kontrolliert neben Sirte, Heimatstadt des gestürzten Diktators Muammar al-Gaddafi, einen Küstenstreifen von 240 Kilometern und ist in mindestens drei weiteren Städten präsent. Bei einem Autobombenanschlag in Zliten, 150 Kilometer östlich von Tripolis, töteten Selbstmordattentäter des IS mehr als 70 Menschen.

Im Januar griff der IS das Ölterminal von Ras Lanuf an, um es zu übernehmen oder Libyens Ölproduktion lahmzulegen. Sie ist von einst 1,6 Millionen Barrel auf 300 000 bis 400 000 Barrel pro Tag gesunken, dazu kommt der Preissturz. Die Zentralbank hat ihre Währungsreserven großteils aufgebraucht. Sie zahlt die Gehälter der vielen Staatsangestellten, ein Erbe aus Zeiten Gaddafis, und auch den Sold von Milizen beider Seiten.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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