Medizin:Teure Therapie

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Diagnose mit Folgen: ein Tumor in der Brust einer Patientin. (Foto: Jan-Peter Kasper/dpa)

Die Preise für Krebsmedikamente sind stark gestiegen - trotz zweifelhaften Nutzens.

Von Kim Björn Becker, München

Die Preise für Krebsmedikamente sind in den vergangenen Jahren doppelt so stark gestiegen wie alle übrigen Arzneien. Das geht aus dem jüngsten Arzneimittelreport der Krankenkasse Barmer hervor, der am Donnerstag vorgestellt worden ist. Seit dem Jahr 2011 erhöhten sich demnach die Ausgaben der größten deutschen Krankenkasse für onkologische Arzneimittel um 41 Prozent. Bei allen anderen Präparaten stiegen die Kosten im selben Zeitraum nur um 20 Prozent.

Barmer-Chef Christoph Straub forderte vor diesem Hintergrund eine "ehrliche Diskussion über Kosten und Nutzen dieser extrem teuren Medikamente". Zwar wolle er keine Debatte darüber führen, ob sterbenskranken Krebspatienten eine Therapie aus Kostengründen verweigert werden sollte. Dies wäre unethisch, sagte Straub bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. Allerdings stellte er infrage, dass die teils hohen Kosten für moderne Krebsmedikamente stets "gerechtfertigt" seien.

In dem Bericht wird dargelegt, dass die verzeichneten Kostensteigerungen nur zu einem geringen Teil darauf zurückzuführen seien, dass im Vergleich zu 2011 heute mehr Versicherte an Krebs erkrankten. Der alterungsbedingte Anstieg der Erkrankungen erkläre lediglich acht Prozent des Zuwachses, heißt es. Der überwiegende Teil der zusätzlichen Ausgaben sei stattdessen auf die "höheren Herstellerpreise" der Pharmaindustrie zurückzuführen. "Ziel der Pharmahersteller ist der maximale Umsatz, unser Ziel ist im Interesse der Patienten und Beitragszahler ein realistisches Preis-Leistungs-Verhältnis", sagte Straub.

Bei manchen modernen Krebstherapien betragen die jährlichen Behandlungskosten teils an die 100 000 Euro, das ist deutlich mehr als vor einigen Jahren. Zuletzt hatte die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) etwa 200 Milliarden Euro für die medizinische Versorgung der Versicherten ausgegeben. Die Kosten für Arzneimittel betrugen etwas mehr als 17 Prozent, was etwa 35 Milliarden Euro entspricht.

Für den Bericht verglich die Barmer auch die internationalen Preise für 31 ausgewählte Krebsmedikamente. Bei 28 Präparaten lagen die Preise in Deutschland demnach über dem Median. Verglichen wurden mehrere europäische Märkte sowie Australien und Neuseeland. Acht Arzneien waren sogar nirgendwo so teuer wie in Deutschland. Barmer-Chef Straub forderte daher, dass das hiesige Verfahren zur Preisfestsetzung überdacht werden müsse. Bislang müssen die Pharmahersteller nachweisen, dass ein neues Mittel einen Zusatznutzen gegenüber der bisherigen Standardtherapie erbringt. Gelingt dies, kann der Pharmakonzern den Preis im ersten Jahr frei festlegen. Für die Zeit danach orientiert sich der Abgabepreis an dem Verhandlungsergebnis, welches das Unternehmen mit dem GKV-Spitzenverband erzielt hat. Straub forderte nun, dass nach etwa fünf Jahren noch einmal geprüft werden müsse, ob sich das Mittel auch dauerhaft als wirksam erweist. Anhand entsprechender Studien sollten Hersteller und GKV dann abermals über den Preis verhandeln.

Zugleich rügte Studienautor Daniel Grandt vom Klinikum in Saarbrücken, dass einige Hersteller angeblich zu einem Trick greifen. Sie würden ihre neuartigen Krebsmittel teilweise als Präparate gegen seltene Erkrankungen - sogenannte Orphan Drugs - auf den Markt bringen. "Um eine solche Zulassung zu erhalten, müssen weniger Belege über Nutzen und Sicherheit des Arzneimittels vorgelegt werden", sagte Grandt.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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