Mary Cheney:Ganz der Daddy

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Die Tochter des amerikanischen Vizepräsidenten macht Furore, weil sie den Vater lobt - obwohl seine Politik ihren Lebensentwurf bekämpft.

Reymer Klüver

Irgendwie kommt einem das Gesicht bekannt vor. Auch wenn man die blonde Frau noch nie zuvor gesehen hat. Und es sind nicht nur die Gesichtszüge, die wasserhellen Augen, die hohe Stirn.

Findet Washingtons Irak-Politik tadellos: Mary Cheney (Foto: Foto: Reuters)

Es ist das Lächeln, das wie beim Alten etwas schief übers Gesicht huscht. Und der leicht zur Seite geneigte Kopf, wenn sie andeuten will, dass sie ganz aufrichtig ist, ganz authentisch, und nichts sagt als die reine Wahrheit.

So hat Dick Cheney geredet, wenn er von den Massenvernichtungswaffen im Irak gesprochen hat. Und so redet Mary Cheney, wenn sie von ihrem Vater spricht. "Mein Dad", sagt die 37 Jahre alte Tochter, "ist nicht Darth Vader", kein düsterer Oberfiesling wie der schwarze Lord aus den "Star Wars".

Mary Cheney hat ein Buch geschrieben, und Amerikas Medien sind voll von dem Thema. Sie ist auf allen Fernsehkanälen zu sehen, gibt Interviews in den großen Zeitungen, ja, redet sogar mit der New York Times, die ihr Vater schmäht, ähnlich wie Helmut Kohl einst dem Spiegel jedes Gespräch verweigert hat. Von einem "PR-Blitz" schreiben sie in den Blogs im Internet, und es ist durchaus anerkennend gemeint.

Was für eine Geschichte ist das auch! Die lesbische Tochter des erzkonservativen amerikanischen Vize-Präsidenten, der neulich beim Jagen fast einen Freund erlegt hat, schreibt auf, was sie von allem hält. Jedenfalls suggeriert das der aggressive Buchtitel: "Now It's My Turn", was man etwas frei mit "Jetzt red' i" übersetzen könnte. Und tatsächlich will Mary Cheney einiges zurechtrücken.

Als Heuchlerin geschmäht

Dass es sehr wohl angehen kann, dass sie, die seit 14 Jahren mit einer Frau zusammen lebt und ihre Beziehung als Ehe empfindet, für einen Präsidenten Wahlkampf macht, der es für richtig hält, wenn per Verfassungsänderung Homo-Ehen verboten würden.

Für diese Haltung ist sie in der Homosexuellen-Gemeinde Amerikas geschmäht worden als Heuchlerin. Man habe schließlich "nicht den Luxus, nur über eine einzige Sache abzustimmen", bescheidet sie ihre Kritiker knapp. Das Land befinde sich im Krieg gegen den Terror, und George W. Bush und ihr Dad seien da die Richtigen, es zu führen.

Die wahren Heuchler sind für Mary Cheney ohnehin nicht die Republikaner, die vielleicht ihre Schwierigkeiten mit Schwulen und Lesben haben. Für sie sind es die Demokraten, die scheinheilig Dick Cheney für seinen toleranten Umgang mit der lesbischen Tochter loben und sie damit eigentlich nur outen wollen. "Total schleimig", schreibt sie.

Vor allem aber will sie das Bild ihres Vaters zurechtrücken, von dem sie in Amerikas Medien nur eine "Karikatur gezeichnet" hätten, wie sie dem Magazin Time gesagt hat. Tatsächlich ist ihr Buch die Verteidigungsschrift einer Tochter für einen Vater, den manche zur Inkarnation der dunklen Mächte machen, die Amerika angeblich regieren.

Kein böses Wort entfährt ihr über ihren Dad in all den Interviews, und erst recht hat sie keines aufgeschrieben in ihrem Buch, das in weiten Teilen ein Bericht von den beiden Wahlkampagnen ist, die Dick Cheney als Bushs Vize-Kandidat mitgemacht hat und die sie als persönliche Assistentin und Managerin ihres Vaters begleitet hat.

Ob sie manchmal auch stritten, wird sie immer wieder gefragt. Sie wüsste nicht, nein, wirklich nicht, antwortet sie. Höchstens, dass sie sich mal nicht sofort darauf einigen könnten, wo sie denn gemeinsam zum Angeln gehen sollten.

Verständnis für das Outing

Ihr Vater sei in Wahrheit ein lustiger Mensch und "unglaublich geduldig". Sie würde allen nur wünschen, sie könnten ihn mit seinen Enkelkindern erleben, den Kindern ihrer Schwester.

Und als sie ihren Eltern mit 16 gestand, dass sie lesbisch ist, war ihr Vater das Verständnis selbst: "Die ersten Worte aus seinem Mund waren genau die, die ich hören wollte", schreibt sie: "Du bist meine Tochter, und ich liebe dich, und ich möchte nur, dass du glücklich bist." Zweifellos, Mary Cheney liebt ihren Dad auch.

Das war am Mittwoch ebenfalls eindrucksvoll zu beobachten, als sie Chef-Moderator Wulf Blitzer bei CNN fragt, ob Bush und ihr Vater denn Fehler gemacht hätten, was den Irak angeht. "Ich glaube, sie haben das absolut richtig gemacht", sagt sie. Wirklich keine Fehler, fragt der Moderator nach, er staunt. "Keine Fehler", antwortet Mary Cheney, ganz Tochter des Vize-Präsidenten.

© SZ vom 20.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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