Mafia:Lauschen an der Bordellbar

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Sich wie Schimanski in die Szene zu mischen, soll wieder die Regel werden, fordert die Kriminalpolizei. Doch die "erkennende Fahndung" ist aus der Mode gekommen.

Joachim Käppner

Es war, so viel ist sicher, eine interessante Zeit für den jungen Mann von der Kripo. Seine Abende verbrachte er in Kiez-Kneipen auf Sankt Pauli, in Striptease-Schuppen, Boxclubs und Hinterhoflokalen.

So manches, was Klaus Jansen dort incognito erfuhr, gab er an die Dienststellen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (OK) weiter. Das war sein Job: Veränderungen bemerken, auffällige Autos, regelmäßige Treffen dubioser Gestalten.

In der Kriminalistik heißt das "erkennende Fahndung". Sie liegt weit unterhalb der Schwelle, ab der die Kriminalpolizei verdeckte Ermittler einsetzt, Verdächtige observiert, Telefone abhört. Sie soll aber Informationen liefern, die zu all dem führen können - und sie ist aus der Mode gekommen.

Fehlendes Frühwarnsystem

Nachdem vergangene Woche in Duisburg sechs Italiener offenbar Opfer von Mafia-Mördern wurden, wird in der Kriminalpolizei die Forderung laut, bei der OK-Bekämpfung die erkennende Fahndung alten Schlags wieder einzuführen. Es fehle, sagt Jansen, heute Chef des Bundes der Kriminalbeamten (BdK), "schlicht das Frühwarnsystem".

Der Duisburger Hauptkommissar und nordrhein-westfälische BdK-Landeschef Wilfried Albishausen beklagt, dass diese präventive Ermittlungsmethode der Kripo im Zuge von Personaleinsparungen und Polizeireformen abgeschafft worden sei:

"Sie findet heute nicht mehr statt. Wenn wir keine Kriminalbeamten mehr haben, die sich unauffällig im Milieu bewegen, die Auffälligkeiten bemerken oder neue Gesichter, fehlen den OK-Dienststellen wichtige Informationen."

Albishausen verweist auf Erfolge, welche die erkennende Fahndung auch in Duisburg noch in den neunziger Jahren erzielt habe. Auf diese Weise sei die Kripo Zuhältern auf die Spur gekommen, die in einer Großdiscothek den Frauenhandel organisiert hatten, oder einem Schleuserring.

Schimanski an der Bordellbar

Natürlich könne niemand seriös behaupten, die sechs Morde in der Stadt hätten sich durch die Vorfeld-Fander verhindern lassen, sagt Albishausen. Sicher sei aber dennoch, "dass die Fahnder auch in Nordrhein-Westfalen wesentlich besser auch über die Italienerszene Bescheid wissen könnten, wenn wir die erkennende Fahndung noch hätten".

Auf Regierungsebene hält man solche Vorstellungen für antiquiert. Der Beamte, der sich nach Vorbild des Fernsehkommissars Schimanski an der Bordellbar umhöre, habe mit der Realität ethnisch abgeschotteter Banden nichts zu tun, heißt es in Düsseldorf.

Ähnlich sieht es der Leiter des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes, Wolfgang Gatzke. Es sei bedauerlich, dass der sechsfache Mord zum Anlass werde, gewerkschaftliche Forderungen zu stellen.

"Die erkennende Fahndung früherer Zeiten ist nicht geeignet, die heutigen globalen Strukturen der organisierten Kriminalität wirksam zu bekämpfen." Hierzu bedürfe es vieler Spezialisten, etwa bei internationalen Finanzermittlungen.

Die organisierte Kriminalität galt in den neunziger Jahren als größte Herausforderung der Polizei; seit den islamistischen Anschlägen des 11. September 2001 haben die OK-Fahnder aber Personal und Mittel in erheblichem Maß an die Terrorbekämpfung abgeben müssen.

Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, beziffert den Mangel mit dramatischen Zahlen. Seit dem Jahr 2000 sei die Zahl der hier eingesetzten Ermittler bundesweit von etwa 3000 auf 2500 gesunken: "Uns fehlen viele Hunderte, wenn nicht Tausende Fahnder im Bereich der organisierten Kriminalität", sagt er.

© SZ vom 20.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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